EU wittert krumme Geschäfte bei Impfstoff-Lieferant
Verdacht: Britisch-schwedischer Hersteller leitet von Europa bezahlten Impfstoff um

In wenigen Tagen werden wir schlauer sein: Voraussichtlich am Freitag wird die Europäische Medizinagentur EMA in Amsterdam entscheiden, ob sie den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Unternehmens Astrazeneca für den Einsatz in der EU empfiehlt. Zuletzt war Zweifel an der Wirksamkeit bei älteren Menschen aufgebracht worden.
Darüber hatte das Handelsblatt mit dem Hinweis auf „Koalitionskreise“ berichtet. Danach wirke das Präparat bei Alten nur zu weniger als zehn Prozent. Das Unternehmen wies den Vorwurf umgehend zurück. Der Bericht sei „komplett falsch“.
Das Bundesgesundheitsministerium teilte mit, es scheine so, dass in dem Bericht Dinge verwechselt wurden: Rund acht Prozent der Probanden der Astrazeneca-Wirksamkeitsstudie seien zwischen 56 und 69 Jahre alt gewesen, nur drei bis vier Prozent über 70 Jahre. Daraus lasse sich aber nicht eine Wirksamkeit von nur acht Prozent bei Älteren ableiten.
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Die EMA werte die Studien aus, erklärte das Ministerium. Bekannt sei seit dem Herbst, dass in den ersten eingereichten Studien von Astrazeneca weniger Ältere beteiligt gewesen seien als bei Studien anderer Hersteller. Mit dem Ergebnis der Auswertung durch die EMA sei an diesem Freitag zu rechnen. Empfiehlt es den Einsatz des Impfstoffs, stimmt erfahrungsgemäß die EU-Kommission zu, und das deutsche Paul-Ehrlich-Institut nickt ihn als letzte Instanz ebenfalls ab.

So richtig froh ist unterdessen niemand mehr mit Astrazenenca. Das Unternehmen, bei dem die EU bereits im August 400 Millionen Impfdosen bestellt und das Geschäft im Oktober 2020 besiegelt hatte, teilte am vergangenen Freitag mit: Im ersten Quartal 2021 könne man nur 31 Millionen Dosen liefern - vereinbart waren 80 Millionen. Schuld seien Probleme eines Zulieferers für das belgische Werk Astrazenecas.
Obwohl EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Boss der Firma Pascal Soriot am Montag telefonisch ins Gebet nahm, lieferte Astrazeneca nach EU-Darstellung weder eine nachvollziehbare Erklärung für die verringerte Liefermenge, noch lenkte es ein. Dabei hatte die EU schon 336 Millionen Euro überwiesen und muss erstaunt feststellen, dass beispielsweise Großbritannien beliefert wird.
Gesundheits-Kommissarin Stella Kyriakides verlangt Akteneinsicht von dem Unternehmen und mutmaßt, Astrazeneca habe von der EU bezahlen Impfstoff umgeleitet: „Die Europäische Union hat die Entwicklung des Impfstoffs vorfinanziert und will jetzt eine Gegenleistung sehen. Wir wollen genau wissen, welche Dosen von Astrazeneca bisher wo produziert wurden, und ob und an wen sie geliefert wurden.“