Türkei in Schwierigkeiten
Erdogan: Stunk mit fast allen Nachbarn
Drohungen, Krieg und große Worte prägen die Außenpolitik des Nato-Staats am Mittelmeer.

In Berg-Karabach dröhnt Kanonendonner, in Ankara dröhnt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan: Bei den Kämpfen steht sein Land an der Seite des muslimischen Aserbaidschan, das wieder einmal mit dem christlichen Armenien militärisch um die armenische Enklave Berg-Karabach auf aserbaidschanischem Gebiet ringt. In diesem Konflikt könnte die Türkei einen weiteren Opponenten bekommen, Russland. Dabei ist sie schon jetzt von Feinden und Gegnern geradezu umzingelt.
Mitte der Woche hatte Erdogan bereits gegen Russland gestänkert: Dessen im Verein mit Frankreich und den USA vorgetragener Wunsch nach einer Waffenruhe zwischen den Kaukasusstaaten sei „nicht akzeptabel“. Zuvor hatte die türkische Regierung Aserbaidschan militärische Hilfe in Aussicht gestellt. Russland, das als Schutzmacht Armeniens gilt und dort Truppen stehen hat, berichtet jedoch schon, dass die Türkei Söldner aus Libyen und Syrien in den Kaukasus gebracht habe. Die Armenier behaupten, dass 150 türkische Offiziere auf Seiten Aserbaidschans im Einsatz seien.

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Das kann Wladimir Putin alles nicht gefallen. Schon deshalb, weil das Verhältnis nur mühselig durch eine Entschuldigung Erdogans gekittet werden konnte, nachdem ein türkisches Flugzeug 2015 eine Maschine der russischen Luftwaffe im türkisch-syrischen Grenzgebiet abgeschossen hatte, wobei einer der beiden Piloten starb.
Russland ist aber nur ein Problem für Erdogan, dem Beobachter bescheinigen, mit Großmachtallüren seine zunehmende innenpolitische Schwäche überdecken zu wollen und damit seinen teilweise berechtigten außenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen Schaden zufügt. Wandert man auf der Landkarte die Umgebung der Türkei ab, findet man keine Freunde des Landes.

Armenien ist historisch ein Opfer des Osmanischen Reichs, dem Vorgängerstaat der Türkei: Der von der Türkei bestrittene Völkermord an den Armeniern im 1. Weltkrieg ist bis heute nicht aufgearbeitet.
Griechenland fühlt sich unter Druck gesetzt, weil türkische Forschungsschiffe in Begleitung der Kriegsmarine in griechischen Wirtschaftszonen des Mittelmeers Erdgas sucht. Außerdem fürchtet das EU-Mitglied um die Inseln in der Ägäis, die nach dem 1. Weltkrieg den Griechen zugeschlagen wurden. Erdogan deutet immer wieder an, dass er die Inseln für die Türkei will, und rüstet auf.
Zypern, dessen Norden von der Türkei erobert worden war, die dort einen Staat installierte, wird ebenfalls bedrängt: Türkische Schiffe zwangen 2019 ein israelisches Forschungsschiff und 2018 eine italienische Forschungsplattform aus der Exklusiven Wirtschaftszone (EWZ) der Inselrepublik, die ebenfalls der EU angehört.
Israel und Ägypten sind wegen der Rohstoffsuche mit Ankara verkracht. „Deshalb ist es mehr als verständlich, dass Griechenland, die Republik Zypern, Israel und Ägypten eine diplomatische Front gegen die Türkei errichtet haben. Sie bauten in den letzten Jahren ihre militärische Zusammenarbeit aus“, schrieb der Leiter des Centrums für angewandte Türkeistudien, Günter Seufert.
Im Norden Syriens hat die Türkei mit russischer Billigung einen breiten Landstreifen besetzt. Sie kämpft dort gegen die Kurdenund hat bislang einen Weg gefunden, mit den Russen zu kooperieren. Unter anderem ist Erdogan notgedrungen vom Ziel abgerückt, den von Russland gestützten syrischen Diktator Baschar al-Assad zu stürzen.

Mit dem Irak gibt es gleichfalls Probleme, weil die Türkei dort immer wieder mit Artillerie und Flugzeugen Kurden angreift und auch irakische Soldaten tötete.
Jenseits des Mittelmeers mischt die Türkei im libyschen Bürgerkrieg mit, hat eigene Soldaten und wie im Kaukasus Söldner im Einsatz. Ankara unterstützt die libysche Regierung gegen ihre inneren Feinde, hat dafür einen Deal ausgehandelt, der wiederum Konflikte mit Griechenland verursacht. Aus dem türkisch-libyschen Vertrag folgert Ankara, dass es unmittelbar vor der Küste der Insel Kreta Bodenschätze suchen und fördern kann.
Der Druck von allen Seiten hat zuletzt offenbar Wirkung gezeigt: Am gleichen Tag, als Erdogan die EU, bei deren Sondergipfel als „Geisel der Frechheiten Griechenlands und der griechischen Zyprer“ verhöhnte, vereinbarte sein Land mit den Griechen einen Hotline-Mechanismus zur Vermeidung militärischer Zwischenfälle, teilte die Nato nach mehrwöchigen Verhandlungen der beiden Nato-„Partner“ mit.
Beim EU-Gipfel vergangene Woche wurde die Drohung mit neuen Sanktionen gegen Ankara vor allem wegen des Gas-Streits im östlichen Mittelmeer aufrechterhalten, zugleich stellte die EU Ankara eine Erweiterung der Zollunion, Handelserleichterungen und weitere Milliardenhilfe für die Versorgung von Flüchtlingen aus Ländern wie Syrien in Aussicht. Voraussetzung sei, dass „die konstruktiven Bemühungen zur Beendigung der illegalen Aktivitäten gegenüber Griechenland und Zypern fortgesetzt werden“. Damit reagieren die EU-Staaten darauf, dass es zwar im Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland die erwähnte Entspannung gab, nicht aber im Streit zwischen der Türkei und Zypern.