Roman Protassewitsch bei seinem Geständnis, das nach seinen Worten im Gefängnis Nr. 1 in Minsk aufgezeichnet wurde.
Roman Protassewitsch bei seinem Geständnis, das nach seinen Worten im Gefängnis Nr. 1 in Minsk aufgezeichnet wurde. Videostill: AFP/Telegram Channel Nevolf

Der von den belarussischen Behörden in einem Akt von Luftpiraterie entführte Journalist und Blogger Roman Protassewitsch (26) soll gefoltert worden sein. Das erklärten sein Vater Dmitri gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters und die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja per Telegram aus ihrem litauischen Exil. Sie beziehen sich auf ein Video eines regierungsnahen Nachrichtenkanals, in dem Protassewitsch ein nach ihrem Verständnis mit Gewalt erzwungenes „Geständnis“ ablegt. Darin sieht man einen blauen Fleck auf seiner Stirn.

In dem Video sagt Protassewitsch unter anderem: „Ich werde weiter mit den Ermittlern zusammenarbeiten und gestehe, Massenproteste in der Stadt Minsk organisiert zu haben.“ Die Machthaber werfen ihm vor, die großen Demonstrationen herbeigeführt zu haben, die es vor allem in der belarussischen Hauptstadt gab, nachdem eine nach allem Dafürhalten gefälschte Wahl im August 2020 den Präsidenten Alexander Lukaschenko an der Macht gehalten hatte.

Mit symbolischen Papierfliegern protestierten Belarussen und Polen in Warschau gegen die Entführung Roman Protassewitschs.
Mit symbolischen Papierfliegern protestierten Belarussen und Polen in Warschau gegen die Entführung Roman Protassewitschs. Foto: AFP/Wojtek Radwanski

Der Vater: „Mein Sohn kann nicht zugeben, die Massenunruhen verursacht zu haben, weil er so etwas einfach nicht getan hat.“ Dessen Inhaftierung solle der Opposition zeigen, wozu die Machthaber in der Lage sind: „Das ist totaler Irrsinn, was hier passiert.“

Der Belarusse Roman Protassewitsch, der im Exil lebte und das regierungskritische Portal Nexta mitbegründet hatte, war am Sonntag mit seiner russischen Freundin Sofia Sapega (23) auf dem Flughafen von Minsk festgenommen worden. Das Ryanair-Flugzeug auf dem Weg von Athen nach Vilnius, in dem er saß, war mit einem vorgetäuschten Bombenalarm und unter Begleitung eines Kampfflugzeugs nach Minsk umgeleitet worden. Ryanair-Chef Michael O'Leary geht davon aus, dass Agenten des belarussischen Geheimdiensts KGB mit an Bord waren.

Im Übrigen sei er gesund, sagte der Journalist, und „das Personal geht mit mir völlig angemessen um und respektiert die Gesetze“.

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Der Vater sagte: „Es ist möglich, dass seine Nase gebrochen ist, denn ihre Form ist anders und es ist eine Menge Make-up-Puder darauf. Die ganze linke Seite seines Gesichts ist abgepudert.“ Dmitri Protassewitsch glaubt an eine erzwungene Inszenierung: „Es sind nicht seine Worte, es ist nicht seine Art, wie er spricht. Er verhält sich sehr reserviert und man kann sehen, dass er nervös ist.“ Die Marke der Zigaretten, die vor ihm liegen, rauche der Sohn nicht.

Auf Flightradar24 ist der Weg der Ryanair-Maschine nachzuvollziehen: Sie musste wegen „Bombenalarms“ nach Minsk abdrehen, obwohl ihr Ziel Vilnius viel näher lag.
Auf Flightradar24 ist der Weg der Ryanair-Maschine nachzuvollziehen: Sie musste wegen „Bombenalarms“ nach Minsk abdrehen, obwohl ihr Ziel Vilnius viel näher lag. Foto: imago/Beate Zawrzel

Die 27 EU-Staaten verhängten bereits am Montagabend weitere Sanktionen gegen Belarus. Demnach sollen belarussische Fluggesellschaften nicht mehr den Luftraum und die Flughäfen der EU nutzen dürfen. Fluggesellschaften mit Sitz in der EU werden aufgefordert, den Luftraum über Belarus zu meiden. Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation soll eine Untersuchung einleiten.

Die EU erweitert wie berichtet zudem die bestehende Liste mit Personen und Unternehmen, gegen die Vermögenssperren und Einreiseverbote gelten. Wegen der gewaltsamen Unterdrückung von Protesten hatte die EU bereits vor Monaten Sanktionen gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko und dessen Unterstützer verhängt.

US-Präsident Joe Biden erklärte, er habe sein Team angewiesen, „angemessene Optionen“ zu entwickeln, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dies solle in enger Abstimmung mit Partnern wie der EU geschehen. Der Vorfall sei „skandalös“.