Energie-Krise: DARUM ist die Hoffnung auf Atomstrom ein fataler Irrweg
FDP, CDU und CSU preisen Atomkraft als Ausweg aus der Energiekrise, doch sie ist Teil des Problems, wie die aktuelle Entwicklung beweist.

Ein Gespenst geistert durch die deutschen Medien: Seit Wochen diskutieren Politiker heiß über ein Thema, das bereits die Große Koalition unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel im März 2011 nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima zu Grabe getragen hatte: Atomkraft ist seitdem für die deutsche Stromerzeugung keine Option mehr. In Betrieb sind inzwischen nur noch die Kraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim.
FDP, CDU und CSU heizen Atom-Debatte an, doch in Frankreich zeigt sich: Kernkraft ist Teil des Problems
Diskutiert wird vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der Konfrontation mit Russland nicht nur darüber, diese Kraftwerke über 2022 hinaus im sogenannten Streckbetrieb weiterzubetreiben, sondern sogar neue Kraftwerke zu bauen. Darüber fordert FDP-Bundesfinanzminister Lindner eine „vorurteilsfreie“ Debatte. CDU-Chef Merz, der frühere CSU-Bundesverkehrsminister Scheuer und Bayerns Ministerpräsident Söder, sie alle wollen das sprichwörtliche Fass mit dem Atomstrom noch einmal aufmachen – vor dem Hintergrund der aktuellen „Energie-Notlage“, wie CSU-Chef Söder sie nennt.
Ein Blick auf die Ursachen des aktuell dramatisch ansteigenden Strompreises zeigt allerdings: Atomkraft ist ein wesentlicher Teil des Problems, mit dem wir noch länger zu tun haben werden, aber ziemlich sicher nicht Teil der Lösung. Anders als Deutschland haben Länder wie Frankreich und Großbritannien massiv auf die Atom-Karte gesetzt – und sehen sich vor allem Riesenberg von Problemen, die auch auf Deutschland durchschlagen. Im besten Falle wurden die Reaktoren zu Milliarden-Gräbern, die der Allgemeinheit weit mehr Kosten aufgebürdet haben, als sie erwirtschaften. Im schlimmsten Falle haben teils dramatische Zwischenfälle Mitarbeitende und die Bevölkerung gefährdet. Bis heute, nach Jahrzehnten Atomstromerzeugung, ist die Frage der Endlagerung abgebrannter Kernbrennstäbe nicht einmal ansatzweise gelöst.
Atomstrom macht uns nicht unabhängig von Russland, sondern noch abhängiger
Wegen Sicherheitsproblemen läuft die Mehrzahl der französischen Kernkraftwerke derzeit nicht, der Strom muss unter anderem aus Deutschland importiert werden, was auch hier die Strompreise in die Höhe schnellen lässt. Wenn Atomstrom schon nicht erkennbar zur Versorgungssicherheit beiträgt, könnte es uns aber unabhängiger von Russland machen. Auch dieses Argument von glühenden Atom-Fans ist schlichtweg bizarr: 36 Prozent des weltweit gehandelten angereicherten Urans, das zum Betrieb der Kernkraftwerke nötig ist, wird von Rosatom gehandelt, der staatlichen russischen Atomagentur. Auch wenn es Uranvorkommen in Ländern wie Kanada geben mag, kurz- bis mittelfristig würde ein Wiedereinstieg in die Atomkraft die Abhängigkeit zu Russland nicht vermindern, sondern verstärken.
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Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour spricht von einer „kompletten Phantomdebatte“, weist darauf hin, dass es 20 Jahre dauert, ein Atomkraftwerk zu bauen. Selbst die Idee, die Laufzeiten der letzten Atomreaktoren in Deutschland bis 2024 zu verlängern, sei „abstrus“. Kritiker erneuerbarer Energien wenden ein, dass es in absehbarer Zeit keine Möglichkeit gebe, diese für den Fall von Windflauten und bedecktem Winterhimmel zu speichern. Auch ohne solche Speichermöglichkeit erfüllen diese aber bereits zuverlässig ein Drittel bis zur Hälfte des Gesamt-Strombedarfs, und versorgen das Nachbarland Frankreich mit Öko-Strom. Dass andere Länder einen anderen Weg gehen, bedeutet eben nicht, dass Deutschland mit dem Atomausstieg einen falschen Weg gegangen ist - die aktuell dramatisch verteuerten Strompreise beweisen eher das Gegenteil: Atomstrom ist eine teure Falle, irrsinnig teuer, unverantwortlich riskant und deshalb keine Lösung, sondern Teil des Problems.