Endlich Schluss mit dem Ärger um die Telekom-Abwärts-Aktie?
Nach 20 Jahren Prozess-Hickhack wird den beim Börsengang Gelackmeierten ein Vergleich angeboten.

Manfred Krug und Charles Brauer, die Hamburger „Tatort“-Kommissare, warben im Fernsehen für die Aktie. Der damalige Telekom-Chef Ron Sommer versuchte, seriös für das Papier zu trommeln, und es wirkte: Bei drei Börsengängen – 1996, 1999 und 2000 – schlugen die Deutschen bei der angeblichen Volksaktie zu. Doch dann der Kater. Der Wert der Aktie brach ein, viele Anleger verloren einen Haufen Geld. Jetzt sollen die Gelackmeierten des dritten Börsengangs nach 20 Jahren Rechtsstreit in einen Vergleich einwilligen.
16.000 Kleinanleger der dritten Runde hatten seit 2001 geklagt, sie sollen zusammen 80 Millionen Euro verloren haben und verlangen Schadenersatz. Jetzt vereinbarten ihre Anwälte und die Vertreter der Beklagten – Telekom, Bundesrepublik und Staatsbank KfW – beim Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Bei Annahme des Vergleichs erhalten sie den im Jahr 2000 geleisteten Kaufpreis zurück, von dem die zwischenzeitlich gezahlten Dividenden und ungefähr der heutige Kurswert abgezogen werden.
Aufgeschlagen werden hingegen 70 Prozent der sogenannten Prozesszinsen, die während eines Verfahrens anfallen. Die Aktien bleiben im Besitz der Anleger. Das Angebot soll den einzelnen Klägern bis Ende Juni 2022 vorgelegt werden.

Der Bund hatte seinerzeit seine Anteile am Staatsunternehmen Telekom auf den Aktienmarkt gebracht. In einer teuren Werbekampagne nicht nur mit Krug und Brauer wurde der Anteilsschein als Volksaktie inszeniert: Fischer, Polizisten, Feuerwehrleute, Stewardessen, Büroangestellte und Rentner machten das T-Zeichen und blickten dabei begeistert in die Kamera.
Die Telekom war jung und brauchte das Geld
Diese Darstellung sieht Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) heute wie damals kritisch: „Der Anteilsschein wurde vom Staat als angeblich sichere Volksaktie beworben, obwohl er das nicht war: Natürlich gab es Risiken, nicht zuletzt weil das Ausland für das Unternehmen noch ziemliches Neuland und die Telekom hoch verschuldet war.“
In der ersten Runde nahm die Telekom dann umgerechnet 10 Milliarden Euro ein, der Ausgabepreis lag bei umgerechnet 14,57 Euro. 1999 beim zweiten Börsengang stand der Kurs bei 39,50 Euro.

Danach jubelten die Anleger: Bis auf 103,50 Euro schoss der Preis pro Aktie hoch, war beim dritten Börsengang im Juni 2000 aber schon wieder auf 66,50 Euro gefallen. Dennoch kauften die Leute ein, um anschließend einen steilen Verlust zu erleiden: Zwei Jahre später wurde das Papier mit 8,16 Euro bewertet, ein Sechstel des Ausgabepreises. Kurz danach trat Ron Sommer zurück.
In der Finanzkrise erlitt die Aktie einen erneuten Einbruch, seit fünf Jahren pendelt ihr Wert jetzt um die 15 Euro, erreichte zuletzt knapp 17 Euro. Allerdings werden seit 2005 regelmäßig Dividenden gezahlt, mit einer Rendite von zuletzt 3,61 Prozent.
Bei Klagen gegen den zweiten Börsengang waren die Anleger gescheitert, für die dritte Emission wurde aber nach mehrfachem Hin und Her zwischen Bundesgerichtshof und Oberlandesgericht ein maßgeblicher Fehler im Verkaufsprospekt festgestellt.
Das zusammenfassende Musterverfahren ist bis heute nicht rechtskräftig abgeschlossen. Der Vorsitzende Richter des Oberlandesgerichts, Bernhard Seyderhelm, rief die Kläger auf, den Vergleich anzunehmen, damit sich der Prozess nicht noch ewig hinzieht.
Das Debakel hat nach Ansicht von Aktienexperten bis heute die Folge, dass viele Deutsche trotz Inflation beim zinslosen Sparen bleiben und keine Aktien erwerben, die bei allem Risiko noch einen Gewinn versprechen.