Kremlchef Wladimir Putin (M.), der Generalstabschef Waleri Gerassimow (l.) und Verteidigungsminister Sergej Schoigu.
Kremlchef Wladimir Putin (M.), der Generalstabschef Waleri Gerassimow (l.) und Verteidigungsminister Sergej Schoigu. dpa/Mikhail Metzel/Pool Sputnik Kremlin

Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine eskaliert täglich weiter. Und unverhohlen droht der Kremlchef dem Westen immer wieder in seinen Reden, dass Russland eine Atommacht sei mit umfangreichem Kernwaffen-Arsenal.

Wie ernst seine Drohungen sind, bewies schon Putins Anweisung, die Alarmbereitschaft der Atomstreitkräfte zu erhöhen. Dies tat der russische Präsident aber nicht zum ersten Mal. Schon 2014 hatte er die höhere Stufe angeordnet, als Russland die Krim annektierte. Allgemein gibt es vier Stufen bis zum atomaren Erstschlag.

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Die erhöhte Kampfbereitschaft ist die zweite Stufe vor der vollen Kampfbereitschaft, erklärte Generalmajor Boris Solowjow der russischen Zeitung „Komsomolskaya Pravda“. Auf der nächstfolgenden Eskalationsstufe würden die Waffen dann scharf gestellt, etwa Raketen mit Atomsprengköpfen bestückt. Dann kann jederzeit der „rote Knopf“ gedrückt werden zum atomaren Angriff.

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Codes für den Atomschlag sind auf drei Koffer verteilt

Diesen roten Knopf gibt es allerdings nicht in der Realität. Stattdessen haben drei Personen offiziell die Atomkoffer mit den darin enthaltenen Codes. Damit können sie den Auftrag für strategische Raketen, Langstreckenbomber oder sogar Atom-U-Boote erteilen. Am vergangenen Wochenende trafen sich die drei Männer mit ihren Koffern: Präsident Wladimir Putin, Stabschef Valery Gerassimov und Verteidigungsminister General Sergej Schoigu. Alle drei Personen stehen auf der Sanktionsliste der USA und der EU.

Putin allein kann einen Atomschlag nicht anordnen. Es braucht dazu mindestens die Codes aus zwei Koffern. „Dieses System dient als Schutz gegen einen schwerwiegenden Fehler beim Einsatz von Atomwaffen“, sagte Solowjow gegenüber russischen Medien.

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Einsatz kleiner taktischer Nuklearwaffen denkbar

Dass Putin mit strategischen Kernwaffen zum Vernichtungsschlag gegen den Westen ausholen will, bezweifeln Experten. Aber „kleine, taktische Nuklearwaffen lassen sich für eine psychologische Kriegsführung einsetzen“, erklärt Marina Henke, Direktorin des Centre for International Security an der Hertie School im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Damit könnte Putin dem Westen klarmachen, dass er bereit ist, bis zum Äußersten zu gehen.

Doch wer sind die zwei Männer, die gemeinsam mit Putin über einen möglichen Nuklear-Krieg entscheiden?

Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Präsident Putin gehen oft gemeinsam auf Reisen, wie hier vergangenen September 2021 in Sibirien.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Präsident Putin gehen oft gemeinsam auf Reisen, wie hier vergangenen September 2021 in Sibirien. imago/Itar-Tass

General Sergej Schoigu: Der 66-Jährige ist seit 1991 in Ministerämtern im Kreml. Er arbeitet geräuschlos, effektiv und linientreu. Sei es im Krieg in Syrien oder auch bei der Annexion der Krim – eisern verteidigte Schoigu den Kurs von Präsident Putin.

Seit 2012 ist er als Verteidigungsminister im Auftrag Putins auch der Verantwortliche für die Modernisierung der russischen Streitkräfte. Der Kreml investierte massiv in neue Waffensysteme. Schoigus Name fällt auch oft, wenn es um die Frage eines Nachfolgers von Putin als Präsident geht. Schoigu gilt als sehr enger Vertrauter Putins. Er geht mit dem Präsidenten oft auf Reisen, regelmäßig jagen und fischen.

Wladimir Putin (l.) und Generalstabschef Waleri Gerassimow
Wladimir Putin (l.) und Generalstabschef Waleri Gerassimow dpa/Sergei Guneyev/Pool Sputnik Kremlin

Generalstabschef Waleri Gerassimow: Der Erste Stellvertreter des Verteidigungsministers hat sein ganzes bisheriges Leben der russischen Armee gewidmet. Erst diente er in der Sowjetarmee, später war er Stabschef eines Panzerbataillons. 2012 stieg er dann zum Generalstabschef der russischen Streitkräfte auf. 2015 spielte er eine Schlüsselrolle beim russischen Feldzug in Syrien. Dafür verlieh ihm Putin ein Jahr später den Titel des „Helden der Nation“.

Die EU setzte Gerassimow bereits 2014 nach der Besetzung der Krim auf die Sanktionsliste. Besonders seine Aussage auf der Moskauer Konferenz für internationale Sicherheit im Sommer 2021 ist aus heutiger Sicht äußerst beunruhigend. Damals betonte er, der Kreml behalte sich das Recht vor, Atomwaffen einzusetzen, wenn die Existenz des russischen Staates bedroht werde.

Streitkräfte könnten sich Atomschlag widersetzen

Die russische Verfassung und die Militärdoktrin übertragen zwar Putin die Entscheidungs­gewalt. Doch bei einem Atomschlag müssten auch die Streitkräfte mitspielen und dem Befehl Folge leisten. Ob sie das tun, ist allerdings umstritten.

Während des Kalten Krieges hatte etwa 1983 der russische Leutnant Stanislav Petrov einen Atomkrieg verhindert, indem er Befehlen des Kreml nicht gehorchte. Das könnte wieder passieren, wenn Putin den Abschuss von Atomwaffen befiehlt.

Laut jüngstem Jahresbericht des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) vom vergangenen Juni verfügt Russland über 6255 der 13.080 Atomwaffen, die die neun Atommächte der Erde schätzungsweise in ihrem Besitz haben. Die USA verfügen über rund 5550 solcher Sprengkörper.