Vor laufender Fernsehkamera können sie noch lachen: Vizekanzler Olaf Scholz (von links) und die SPD-Chefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.
Vor laufender Fernsehkamera können sie noch lachen: Vizekanzler Olaf Scholz (von links) und die SPD-Chefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. dpa/Jörg Carstensen

Deutschland wählt im Herbst 2021 eine neue Regierung. Die SPD hat den Wahlkampf intern schon eröffnet. Die Sozis streiten über die Kanzlerkandidaten-Frage und arbeiten frühzeitig an einem Wahlprogramm. Sie haben viel zu tun, denn die SPD-Umfragewerte sind miserabel. Die Partei steht derzeit bei 14 bis 16 Prozent. Ein Politikforscher sagt bereits: Eigentlich könnte sich die SPD die Aufstellung eines eigenen Kanzlerkandidaten sparen. 

Für die Sozialdemokraten geht es um alles. Sie müssen darum kämpfen, Volkspartei zu bleiben - und nicht hinter Grüne und AfD zu fallen. Dafür dürfen sie die Fehler der beiden vergangenen Bundestagswahlen nicht wiederholen. 2013 passte der pragmatische Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nicht zum linken Wahlprogramm. 2017 wurde Martin Schulz zu spät und mit einem schwammigen Programm ins Rennen geschickt. 

Diesmal soll alles besser werden. Der Parteivorstand setzte laut „Spiegel“ bereits sieben Arbeitsgruppen ein, die das neue Wahlprogramm ausarbeiten. Die SPD will sich Zeit nehmen, ihr Profil schärfen. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist das 2019 beschlossene Sozialstaatskonzept, mit dem die Partei ihre Abkehr von Hartz IV vollzog. Das übergreifende Thema des Wahlprogramms soll „Gesellschaftliche Trends“ sein.

Corona-Krise und digitale Zukunft

Laut „Spiegel“ leiten die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans eine Arbeitsgruppe, die sich mit den Folgen der Corona-Krise beschäftigt. Weitere Mitglieder dieser Kommission sind Gesine Schwan und DGB-Chef Reiner Hoffmann. Esken steht außerdem einer Arbeitsgruppe vor, die sich mit der digitalen Zukunft befasst. 

Die Parteivizes Hubertus Heil, Kevin Kühnert und Serpil Midyatli leiten Programmkommissionen zur Wirtschafts-, Sozial- und Familienpolitik. Dabei geht es um die Zukunft der Industrie, um Jobs, Bildung und ein Sozialsystem jenseits von Hartz IV. Die Europaabgeordnete Katarina Barley kümmert sich um das Thema „Freiheit und Sicherheit“, ihr Parlamentskollege Udo Bullmann um die Europapolitik. 

Für die Fertigstellung des Wahlprogramms hat sich die SPD einen ehrgeizigen Zeitplan gesetzt. Im Sommer soll laut „Spiegel“ diskutiert werden, wie Deutschland die Kosten der milliardenschweren Corona-Rettungspakete stemmen kann. Für Dezember ist ein „Debatten-Camp“ geplant, bevor im Frühjahr 2021 ein Parteitag das neue Programm beschließen soll. 

Olaf Scholz: Kann er Kanzler?

Über allen Wahlkampf-Vorbereitungen schwebt die Frage, wen die Sozis als Kanzlerkandidaten aufstellen. Es muss jemand sein, der das neue Programm glaubwürdig vertritt und zugleich bei der breiten Masse ankommt. Die SPD-Chefs Esken und Walter-Borjans wollen im Spätsommer einen Vorschlag machen. Vieles spricht für Finanzminister Olaf Scholz, der 2019 beim Rennen um den Parteivorsitz noch unterlegen war.

Der Politikexperte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen bewertet die Kanzler-Chancen von Olaf Scholz jedoch eher als düster. Zwar erreiche der Vizekanzler bei der Bevölkerung recht positive Imagewerte. Aber selbst SPD-Anhänger sehen Scholz bei den Sympathiepunkten hinter Noch-Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Experte Jung zweifelt daran, ob die Werte reichen für „eine kraftvolle Mobilisierung“ der eigenen Anhänger.

Um die Kanzler-Chancen der SPD-Chefs Esken und Walter-Borjans steht es noch schlechter. Ihre linke Programmatik bediene, so Jung, die Bedürfnisse der Parteibasis, aber nicht der Bevölkerung. Die SPD leide etwa darunter, dass die AfD bei den Benachteiligten fischt und die Grünen die Linksliberalen abwerben. Es sei nicht sicher, ob die SPD aufgrund ihrer Schwäche „überhaupt einen Kanzlerkandidaten brauchen wird“.

Altkanzler Gerhard Schröder hat vorgeschlagen, ein Fünfer-Team in den Wahlkampf zu schicken. Er nannte die Namen Scholz, Heil, Franziska Giffey, Manuela Schwesig und den des SPD-Fraktionschefs Rolf Mützenich. Nicht auf dem Zettel hat Schröder die Parteichefs Esken und Walter-Borjans. Die beiden sollen, so sagen es Gerüchte, bereits bei DGB-Chef Reiner Hoffmann angeklopft und gefragt haben, ob der als Kandidat zur Verfügung stehe.