Die Hoffnung auf den Kaufrausch nach Corona
Bislang hat die Industrie den Laden am Laufen gehalten, jetzt soll es der private Konsum richten.

Es geht aufwärts mit der deutschen Wirtschaft, und dass, obwohl die Industrie, die über lange Monate der Corona-Krise den Konjunkturmotor am Laufen hielt, inzwischen schwächelt: Die Knappheit von Rohstoffen, Stahl, Holz, Elektrokabeln, Computer-Chips und Schiffs-Kapazitäten macht ihr zu schaffen. Dennoch werde der anziehende private Konsum werde in der zweiten Jahreshälfte die Wirtschaftsleistung nach oben treiben, prognostizierten Volkswirte führender Wirtschafts- und Finanzinstitutionen.
„Im Zuge der stark sinkenden Infektionszahlen und Lockerungen der Corona-Restriktion ist jetzt quasi die Bahn frei“, sagte Katharina Utermöhl von der Allianz-Gruppe: „Tschüss Rezession, hallo Konsum-Boom!“
„Die Industrie ist von Engpässen geplagt, der private Verbrauch kommt in Schwung“, sagte auch Marc Schattenberg von der Deutschen Bank. Die Frage ist: „Wie schnell lösen sich Lieferengpässe auf? Das wird den Aufschwung in der Industrie und vor allem auf dem Bau beeinflussen“, sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm vom Sachverständigenrat der Bundesregierung.
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Die Volkswirte warnen derweil vor allzu großer Euphorie, was das Ende der Corona-Pandemie und ihrer Folgen für die Volkswirtschaft angeht. „Das größte Risiko für die Prognose besteht in einem erneuten Hochschnellen der Infektionszahlen. Bei Lockerungen ist daher weiterhin Wachsamkeit geboten“, betonte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen Bankengruppe KfW.
Hoffnung für Arbeitslose
Positive Signale sehen die Experten auf dem Arbeitsmarkt. Im Juni könnte es zum größten Abbau von Arbeitslosigkeit in der Corona-Krise gekommen sein, vermutet Allianz-Volkswirtin Utermöhl. Bis Ende des Jahres könnte zumindest die Hälfte der rund eine halbe Million Menschen, die wegen Corona arbeitslos geworden sind, wieder einen neuen Job gefunden haben.

Köhler-Geib geht ebenfalls von einer Erholung im Gesamtjahr 2021 aus und erwartet, dass der Arbeitsmarkt zum Jahresende beinahe wieder so gut dastehen wird wie vor der Krise. Deutsche-Bank-Experte Schattenberg sieht ebenfalls positive Signale. „Auch die Kurzarbeit wird zurückgehen“, sagte er. Allerdings warnte er davor, dass wegen der Schwierigkeiten in der Industrie auch wieder neue Kurzarbeiter hinzu kommen könnten.
Der Automarkt-Analyst Ferdinand Dudenhöffer sagt zum Beispiel, dass die Autoindustrie 2021 locker 3,2 Millionen Autos in Deutschland verkaufen könnte, aber nur drei Millionen schaffen wird, weil elektronische Bauteile fehlen. Deshalb würden deutlich weniger Autos als günstige Tageszulassung in den Markt gedrückt.
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Für die derzeit in die Höhe schnellende Inflation machen die Volkswirte vor allem zeitlich begrenzte Faktoren verantwortlich. Veronika Grimm: „Viele Ursachen des aktuellen Anstiegs der Verbraucherpreise dürften temporärer Natur sein. Zum Beispiel kommt es aufgrund von Lieferengpässen und höheren Seefrachtkosten zu Kostensteigerungen, die an die Verbraucher weitergegeben werden. Es könnte eine ganze Weile dauern, bis sich das wieder einschwingt.“
Bei der finanziellen Bewältigung der Coronakrise warnt sie vor allzu großen Schuldenbergen. „Ich bin skeptisch, ob das Ausmaß der Neuverschuldung von 100 Milliarden Euro, das geplant ist, wirklich zur Krisenbewältigung notwendig ist.“
Tourismus hofft, besonders auf Amerikaner
Einen gewissen Optimismus verzeichnet auch der Tourismusbereich. Vor Corona lag der Anteil des Tourismus an der Wirtschaftsleistung der 27 EU-Staaten im Schnitt bei zehn Prozent, halbierte sich dann. Sehr schlecht für Länder, die besonders auf den Tourismus zählen müssen, beispielsweise Griechenland, Italien oder Spanien. Allerdings nimmt die EU an, dass die Wachstumsquoten aus Vor-Corona-Zeiten frühestens 2023 erreicht werden.
Nach jüngsten Daten der Europäischen Reisekommission ETC wollen bis November zwei Drittel der Europäer auf Reisen gehen. Und die Wiederaufnahme des Besucherverkehrs aus den USA mache die Tourismusbranche in Europa zusätzlich optimistisch, sagt der Vorsitzende der Kommission, Eduardo Santander. „US-Reisende sind sehr wichtig für eine Menge europäischer Zielorte, die wirklich von ihnen abhängen, und für ihre Marktmacht.“ Hinzu komme, dass diese Reisenden oft mehrere Länder in einem Schwung besuchten.