Bundeskanzleramt in Berlin.
Bundeskanzleramt in Berlin. Foto: Christophe Gateau/dpa

Wer hätte das gedacht: Schon nach 21 Stunden Verhandlung hat sich die große Koalition auf ein weiteres Konjunkturpaket geeinigt. Am Ende ging es dann sogar noch schneller als erwartet. Bereits drei Minuten vor der angekündigten Zeit erschien die Kanzlerin zur Pressekonferenz und eilte so zügig auf ihren Platz zu, als wollte sie das hier jetzt möglichst schnell hinter sich bringen und dann ab nach Hause.

Dabei hatte sie gute Nachrichten für fast jede soziale Gruppe in Deutschland dabei: Die Familien erhalten einen einmaligen Bonus von 300 Euro pro Kind, die Kommunen werden dauerhaft finanziell entlastet und die Firmen sollen im Juli und August ebenfalls noch einmal von einer milliardenschweren Förderung profitieren.

Kernstück des Programms aber ist eine Mehrwertsteuersenkung für sechs Monate von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von 7 auf 5 Prozent. Davon profitieren vor allem Menschen mit geringerem Einkommen, denn bei ihnen macht die Mehrwertsteuer einen größeren Anteil der Ausgaben aus als bei Besserverdienenden. Die erwartete Ankurbelung der Binnennachfrage funktioniert natürlich nur, wenn die Firmen die Steuersenkung auch an die Kunden weitergeben. Und wenn die Menschen den Konsum nun wieder als Bürgerpflicht annehmen.

Ansonsten gab es noch eine lange Liste mit Zuwendungen für fast jedes lohnenswerte Ziel in Deutschland: Deckelung der Lohnnebenkosten, Deckelung der Stromkosten, Deckelung der EEG-Umlage, Stützung für den öffentlichen Nahverkehr. Außerdem gibt es noch Milliarden für den Klimaschutz und für die Digitalisierung und für die Förderung von E-Autos. Insgesamt 130 Milliarden Euro umfasst das neue Konjunkturpaket – die Summe überschritt die Erwartungen deutlich. Man wolle „mit Wumms“ aus der Krise kommen, sagte Olaf Scholz dazu und man hat den Eindruck, dass er allmählich Geschmack an Kraftausdrücken hat, weil er es gleich noch zweimal wiederholte.

Markus Söder, der darauf hinwies, dass das mit der Mehrwertsteuer-Senkung die Idee der Union war, betonte auf Nachfrage, dass es nun vor allem um die nächsten sechs Monate gehe, in denen die Wirtschaft wieder anspringen solle. Was im Klartext bedeutet, dass es natürlich auch bereits um die Wahl im nächsten Jahr geht. Das Konjunkturprogramm ist eindeutig bereits eine Empfehlung der Parteien an die Wähler, bei der jede der beteiligten Parteien ihre Handschrift hinterlassen wollte – bis hin zu den von der SPD durchgesetzten eher kleineren Milliarden-Beträgen, die das neue Paket für die internationale Bekämpfung der Pandemie vorsieht.

Eine wichtige politische Aussage entstand dabei auch durch schlichtes Weglassen: Die Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren war letztlich nicht mehr durchsetzbar. Die Mehrwertsteuersenkung gilt zwar auch für sie, wie Söder vorsorglich hervorhob, als Branche wird die Autoindustrie aber nicht mehr hervorgehoben. Der eigentlich nur verschobene Autogipfel im Kanzleramt wird wohl gar nicht mehr stattfinden – eine gute Nachricht.

Zufälligerweise wurden am Mittwoch auch die neuen Arbeitslosenzahlen bekanntgegeben; sie sind untypischerweise für den Sommer angestiegen. Die Pandemie wirkt sich bereits aus, aber noch nicht so gravierend, wie es anfangs befürchtet worden war. Das liegt auch an den Neuregelungen zur Kurzarbeit, die die Menschen vor der Kündigung bewahren soll. Sechs Millionen arbeiten bereits kurz und es werden noch deutlich mehr werden. Angesichts dieser Zahlen ist es geradezu zwingend, dass sich die Regierung nicht um eine einzelne Branche, sondern um die gesamte Wirtschaft kümmert. Wenn dabei einige neue Weichenstellungen getroffen werden, umso besser. Wenn der Staat jetzt investiert, dann sollte er es richtig tun.

„Wir können uns das leisten“, sagt Olaf Scholz immer wieder, wenn es um die milliardenschweren Programme geht. Bei der Vorstellung des Konjunkturprogramms in der Mittwochnacht betonte er es erneut. Vielleicht hat er recht. Vielleicht kommt Deutschland halbwegs glimpflich aus der Krise. Aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung gilt das, was die Bundeskanzlerin und ihre zuständigen Minister immer betonen: Wir sind erst am Anfang der Pandemie.