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Deutschland drückt bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen auf's Gas

Drei deutsche Unternehmen werden gefördert, Impfstoffe zu entwickeln und zu testen. Dabei habe Sicherheit oberste Priorität, sagt die Bundesregierung. Minister Spahn betont: Die Impfung wird freiwillig sein.

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Drei deutsche Unternehmen werden gefördert, Impfstoffe zu entwickeln und zu testen. Dabei habe Sicherheit oberste Priorität, sagt die Bundesregierung. Minister Spahn betont: Die Impfung wird freiwillig sein.
Drei deutsche Unternehmen werden gefördert, Impfstoffe zu entwickeln und zu testen. Dabei habe Sicherheit oberste Priorität, sagt die Bundesregierung. Minister Spahn betont: Die Impfung wird freiwillig sein.imago images/AAP

Deutschland beschleunigt die Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus. Dafür werden jetzt drei Unternehmen von der Bundesregierung gezielt gefördert, teilten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (beide CDU) in Berlin mit. „Impfstoffe sind nach wie vor der entscheidende Schlüssel, um die Pandemie zu überwinden“, sagte Karliczek und betonte: „Sicherheit hat an dieser Stelle oberste Priorität.“ Riskante Abkürzungen bei der Entwicklung werde es nicht geben.

Die Impfung werde zudem freiwillig sein, sagte Jens Spahn. Um eine sogenannte Herdenimmunität zu erreichen, müssten 55 bis 65 Prozent der Bürger geimpft sein. Dieses Ziel werde Deutschland freiwillig erreichen, sagte Spahn. „Das ist meine feste Überzeugung.“ Ein Termin wurde jedoch nicht genannt. Man müsse sich darauf einstellen, dass es erst Mitte des nächsten Jahres eine Impfung für breite Teile der Bevölkerung geben werde, sagte Karliczek.

Anfang des nächsten Jahres eine erste Zulassung

Etwas optimistischer äußerte sich Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), das in Deutschland für Impfstoffe verantwortlich ist. Voraussagen, dass es bereits Ende des Jahres, Anfang des nächsten Jahres eine erste Zulassung gebe, könnten zutreffen, müssten es aber nicht, sagte er. „Wir hoffen darauf.“ All das hänge von den sogenannten Phase-III-Tests der Impfstoffe ab. Damit ein Impfstoff breit verfügbar ist, brauche es aber auch einen Ausbau der Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa sowie die Verbesserung der Lagerung und des Transports.

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Cichutek saß auch dem Expertenbeirat vor, der jene drei Unternehmen auswählte, die jetzt besonders gefördert werden sollen. Dafür stellt das Bundesforschungsministerium in einem Sonderprogramm etwa 750 Millionen Euro bereit. Wie erstmals offiziell mitgeteilt wurde, soll die Mainzer Firma Biontech bis zu 375 Millionen Euro erhalten, das Tübinger Biotechunternehmen Curevac bis zu 230 Millionen. Mit dem Unternehmen IDT Biologika, einem mittelständischen Unternehmen aus Dessau-Roßlau, sind die Gespräche noch nicht abgeschlossen. Mit dem Geld sollen die Firmen die Kapazitäten für die Entwicklung und Herstellung der Impfstoffe ausbauen.

Mit der Entscheidung für die genannten Firmen setzt Deutschland auf neue Technologien, die im eigenen Lande entwickelt wurden. Bei Biontech und Curevac handelt es sich um sogenannte RNA-Impfstoffe, bei denen Teile des Viruserbguts in Lipidnanopartikel eingekapselt werden. Ein großer Vorteil ist, dass von solchen Impfstoffen sehr schnell viele Millionen Injektionsdosen produziert werden können. Das Unternehmen IDT Biologika wiederum entwickelt einen sogenannten Vektorimpfstoff.

Bereits 40 Millionen Impfdosen gesichert

Wie auf der Pressekonferenz zu hören war, hat sich Deutschland bereits 40 Millionen Impfdosen über Verträge mit den nationalen Unternehmen und 54 Millionen Dosen über die britisch-schwedische Pharmafirma Astrazeneca gesichert, die erst jüngst Schlagzeilen machte, weil sie eine große klinische Impfstoff-Studie vorübergehend stoppen musste. Eine Probandin hatte eine Erkrankung entwickelt, die man nicht auf Anhieb erklären konnte.

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Sowohl Jens Spahn als auch Anja Karliczek und PEI-Präsident Klaus Cichutek versicherten, dass die beschleunigte Entwicklung der Impfstoffkandidaten nicht einhergehe mit einer Vernachlässigung der Prüfung der Impfstoffe. Entscheidend seien die Ergebnisse der sogenannten Phase-III-Studien. Für diese hat sich die europäische Arzneimittelagentur EMA – zuständig für die Zulassung von Impfstoffen – mit der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA und anderen auf einen Anforderungskatalog verständigt. Getestet werden sollen jeweils mehrere Tausend Freiwillige, darunter auch Menschen mit Begleiterkrankungen und über 55-Jährige. Erreicht werden soll ein höchstmöglicher Grad an Zuverlässigkeit bei möglichst wenigen Nebenwirkungen.

Die Firma Biontech testet im Tandem mit der Firma Pfizer bereits weltweit bis zu 30.000 Freiwillige in einer solchen Phase-III-Studie. Ihr Impfstoff ist einer von weltweit acht, die bereits diese höchste Stufe erreicht haben. Insgesamt laufen weltweit mindestens 170 Corona-Impfstoffprojekte.

„Es ist gut, das wir auf breiteren Füßen stehen“, sagte der Bonner Virologe Hendrik Streck im ZDF und meinte damit, dass verschiedene Impfstoffe getestet werden. Generell sei das Problem bei der Impfstoff-Forschung, dass man erst ganz am Ende der klinischen Prüfung – nach der Phase III – sagen könne, wie wirksam ein Impfstoff eigentlich sei.