Laut Matthias W. Birkwald, dem rentenpolitischen Sprecher der Linken, liegt die durchschnittlich ausgezahlte Rente in Deutschland bei nur 1048 Euro.
Laut Matthias W. Birkwald, dem rentenpolitischen Sprecher der Linken, liegt die durchschnittlich ausgezahlte Rente in Deutschland bei nur 1048 Euro. Foto: Felix Kästle/dpa

Alles richtig gemacht: Diese Bilanz zieht die Bundesregierung mit Blick auf den aktuellen Renten- und Alterssicherungsbericht. Während der Debatte im Bundestag am Donnerstag lobte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Rentenpolitik der großen Koalition. Sie kümmere sich um soziale Sicherheit und Gerechtigkeit und sorge für Stabilität.

Damit folge die Rentenversicherung auch weiterhin dem Prinzip der Lebensleistung. Die Opposition interpretiert den Renten- und Alterssicherungsbericht anders und kritisiert Versäumnisse der Bundesregierung.

„Die Haushaltseinkommen der Menschen ab 65 sind von 2015 bis 2019 um 14 Prozent gestiegen, die Lebenshaltungskosten aber nur um 5,3 Prozent“, sagte Heil. Bis vor der Corona-Krise seien die Renten gestiegen. Das liege jedoch nicht allein an der guten wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch an rentenpolitischen Maßnahmen.

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Heil hob hier die Mütterrente und die Senkung der Beiträge für Einkommen unterhalb von 1300 Euro hervor. Auch die Grundrente sei „ein wesentlicher sozialpolitischer Meilenstein“, der das Vertrauen in die gesetzliche Rente stärke. „Die Alterssicherung in Deutschland mit der tragendenden Säule der gesetzlichen Rente ist gut aufgestellt“, bilanziert der Minister.

Die SPD fordert eine Erwerbstätigenversicherung

Sein Parteifreund Ralf Kapschack, rentenpolitischer Sprecher der SPD, teilt zwar Heils Einschätzung. „Aber viele Menschen haben Bedenken, wie es mit der gesetzlichen Rente weitergeht, große Teile sind auf die gesetzliche Rente als einzige Einkommensquelle angewiesen“, sagte der Politiker im Plenum. Die SPD wolle die gesetzliche Rente daher stärken und zu einer Erwerbstätigenversicherung ausbauen, in die alle einzahlen, also auch Abgeordnete, Beamte und Selbstständige. „Das hat etwas mit Zusammenhalt in der Gesellschaft und mit Vertrauen in den Staat und die Demokratie zu tun.“

Nicht zu machen sein dürfte dieses Vorhaben mit der CDU. Ein entsprechender Vorschlag schaffte es nicht ins finale Rentenpapier der parteiinternen Arbeitsgruppe, die Ideen für die künftige Rentenpolitik formulierte. Anliegen der CDU ist es, zunächst Selbstständigen eine Pflicht zur Altersvorsorge aufzuerlegen.

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„Wir haben viele Selbstständige, die gut fürs Alter aufgestellt sind, aber nicht alle. Deshalb ist die Vorsorgepflicht zwingend notwendig“, sagte Peter Weiß, rentenpolitischer Sprecher von CDU/CSU. Insgesamt weise der Alterssicherungsbericht jedoch mehr Licht- als Schattenseiten auf. „Unsere gesetzliche Rentenversicherung ist stabil und hat mit mehr als 36 Milliarden Euro eine ausreichende Rücklage, die uns hilft zu sagen, die Rente ist sicher in unserem Land.“

Schönt der Alterssicherungsbericht die Riester-Zahlen?

Für die Grünen waren die guten Zahlen des Renten- und Alterssicherungsberichts angesichts der guten konjunkturellen Entwicklung der letzten Jahre zu erwarten. „Diese guten Jahre haben Sie aber komplett verschenkt, um die Rentenversicherung auf die Zukunft vorzubereiten“, kritisiert Markus Kurth, Sprecher für Rentenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen. Er wirft der Regierung vor, mit der Mütterrente und der Rente mit 63 neue Ausgabenblöcke geschaffen zu haben, die die Beitragseinnahmen jährlich um 13 Milliarden Euro belasteten, und forderte deren Finanzierung über Steuermittel.

Was die Entwicklung von Riester angeht, sprach Kurth von geschönten Zahlen. So gehen die Autoren bei ihren Berechnungen von vier Prozent Rendite bei Verwaltungskosten von zehn Prozent aus. „Vier Prozent Rendite kriegt man bei einer sicheren Anlage niemals.“ Auch die Verwaltungskosten entsprächen nicht der Realität und lägen tatsächlich beim 2,5-Fachen.

Die Linke fordert einen „Neustart in der Rentenpolitik“

Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linken, verglich die Situation der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland mit der in Frankreich und Italien. Diese Staaten gäben deutlich mehr Geld für ihre Senioren aus. So erhalte ein Durchschnittsverdienender hierzulande nur rund die Hälfte seines Netto-Einkommens als Rente. In Frankreich seien es zwei Drittel, in Italien sogar 80 Prozent.

„Dieser Vergleich zeigt, es ist höchste Zeit für einen Neustart in der Rentenpolitik.“ Es könne nicht sein, dass die durchschnittlich ausgezahlte Rente in Deutschland nur bei 1048 Euro liegt. Die Altersarmut nehme von Jahr zu Jahr zu. „Wir brauchen eine lebensstandardsichernde Rente ohne Maloche bis zum Tode“, forderte der Linkenpolitiker.

Auch Ulrike Schielke-Ziesing, rentenpolitische Sprecherin der AfD, warnte vor steigender Altersarmut. In Mecklenburg-Vorpommern liege die durchschnittliche Bruttorente nach 40 Beitragsjahren gerade einmal bei 1000 Euro. „Die jetzige und künftige Altersarmut ist das Ergebnis der Halbherzigkeit der Bundesregierung“, sagte sie.

Insgesamt blieben viele Fragen unbeantwortet, meinte Johannes Vogel, rentenpolitischer Sprecher der FDP. Das Rentenpaket der Bundesregierung koste bis 2030 68 Milliarden Euro jährlich. Bis 2038 stiegen die Mehrkosten auf 80 Milliarden Euro. „Wie wollen Sie das künftig finanzieren? Soll der Beitragssatz für die Jüngeren explodieren? Oder wollen Sie die Steuern erhöhen?“, fragte Vogel. „Für die jüngere Generation ist das eine katastrophale Bilanz der Rentenpolitik.“ Vogel forderte daher, bei der Rente nicht nur bis zum Ende der Legislatur zu denken, sondern in Jahrzehnten.