Fischkutter in Tarnewitz (Mecklenburg-Vorpommern). Mangels Fisch werden es immer weniger.
Fischkutter in Tarnewitz (Mecklenburg-Vorpommern). Mangels Fisch werden es immer weniger. Foto: dpa/Jens Büttner

Fisch, frisch vom Kutter. Das ist der Traum vieler Ostsee-Urlauber. Doch was in den Restaurants in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern auf den Tisch kommt, stammt immer seltener aus der Ostsee, und es dürfte weniger werden: Die zuständigen EU-Minister wollen die Fangquoten 2022 für Hering und Dorsch in dieser Woche weiter senken. Denn das Meer ist leer. 

„Für die deutsche Fischerei ist es katastrophal“, sagt Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock. Er  berät im Rahmen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) auch die EU-Kommission. „Wir haben in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge empfohlen, die Heringsfischerei einzustellen.“ Erstmals habe man zudem empfohlen, die Dorschfischerei in der westlichen Ostsee soweit zu verringern, dass es nur noch für Beifang, aber nicht mehr für eine zielgerichtete Dorschfischerei reicht.

Hering wird seltener und teurer.
Hering wird seltener und teurer. Foto: imago/McPHOTO/Bäsemann

„Das ist für unsere deutsche Ostseefischerei zweifellos eine extreme Belastung“, erklärte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU). Hering und Dorsch in der westlichen Ostsee – diese Bestände sind die Brotfische der deutschen Ostseefischer. Beim Hering der westlichen Ostsee wurde die erlaubte Fangmenge von 2017 bis 2021 um 94 Prozent verringert. Sollten die EU-Agrar- und Fischereiminister der ICES-Empfehlung folgen, käme es beim Dorsch der westlichen Ostsee zu einer Reduzierung seit 2017 um mehr als 95 Prozent.

Die Folgen für die Fischer sind verheerend. In deutschen Ostseeorten gibt es etwas über 400 Berufsfischer. Anfang der 90er Jahre waren es mehr als 1300. Beide Länder bieten bereits Abwrackprämien für Fischkutter.  Peter Breckling, Generalsekretär des Deutschen Fischerei-Verbandes, verlangt, im Küstenbereich wenigstens noch ein bisschen örtliche Fischerei und Versorgung aufrecht zu erhalten. 

Seit über 20 Jahren wird zu viel gefischt

Geht es nach Stella Nemecky, gibt es vorerst so gut wie gar keine deutsche Ostseefischerei mehr. „Wir haben seit über 20 Jahren eine legalisierte Überfischung in der Ostsee“, kritisiert die Fischereiexpertin der Umweltorganisation WWF. Daneben verringert sich wegen der klimabedingten Meereserwärmung beispielsweise der Heringsnachwuchs. Man könne auch nicht auf Sprotte oder Plattfische wie die Scholle umsteigen, denen es vergleichsweise gut geht. „Weil in allen Fällen auch Dorsch und Hering rausgenommen werden.“

Kein einheitlicher Schutz für den Hering

Das Problem ist grenzüberschreitend. Während deutschen Fischern beim Hering der westlichen Ostsee immer geringere Fangmengen zugestanden würden, fischten etwa Norweger, die der EU nicht angehören, in deutlich größerem Umfang vom selben Bestand - nur an anderer Stelle: Der Hering wandert, in den Kattegat zwischen Schweden und Dänemark und in den Skagerrak zwischen Dänemark und Norwegen. Ein Fangstopp ist deutschen Fischern daher nicht zu vermitteln.

Klöckner fordert auch für Kattegat und Skagerrak entschlossene Schutzmaßnahmen. „Die drastischen Kürzungen für die Ostseefischer bleiben ansonsten wirkungslos.“ Sie setze sich deshalb dafür ein, die Entscheidung über den westlichen Hering erst im Dezember zu treffen, wenn die Beschlüsse zum Heringsfang in der Nordsee und im Skagerrak auf der Tagesordnung stehen.