Da schwebt nichts mehr: 4000 Gewerkschafter demonstrierten am Dienstag in Wuppertal unter der leeren Schwebebahntrasse - am Freitag wird sie wieder nicht fahren.
Da schwebt nichts mehr: 4000 Gewerkschafter demonstrierten am Dienstag in Wuppertal unter der leeren Schwebebahntrasse - am Freitag wird sie wieder nicht fahren. Ant Palmer/kolbert-press/imago

In weiten Teilen Deutschlands wird es am Freitag keinen öffentlichen Nahverkehr geben. Die Gewerkschaft ver.di ruft in sechs Bundesländern und einigen Städten zu einem 24 Stunden dauernden Warnstreik auf. Das soll gemeinsam mit den Klimaaktivisten von Fridays for Future stattfinden, die für Freitag zu einem globalen Klimastreik aufrufen. Trost für Berlin: BVGer und S-Bahner streiken nicht, für sie gelten andere Tarifverträge. 

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Betroffen von den Warnstreiks sind vor allem Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Hier liege der Nahverkehr in kommunaler Hand, es gelte der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes im Nahverkehr. Die Ergebnisse der Verhandlungen für Bund und Kommunen würden für diesen Vertrag übernommen, erläuterte Behle.

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Beteiligt am Warnstreik seien auch die Beschäftigten des Nahverkehrs in München, wo ein weiterer Tarifvertrag gekündigt worden sei, sagte Behle. U-Bahnen und Straßenbahnen sollen in Bayerns Landeshauptstadt bereits am Donnerstag gar nicht mehr fahren, Busse zur Hälfte.  

Es fehlen Leute für die Erweiterung des Öffi-Verkehrs

Ver.di-Vize Christine Behle und Fridays-for-Future-Sprecherin Lou Töllner zeichneten eine dramatische Lage an vielen Stellen des Nahverkehrs. Dauerhafte Arbeit an der Belastungsgrenze, immer mehr Fahrgäste, ein strikter Sparkurs der öffentlichen Haushalte und Mängel in der Infrastruktur stünden dem Ziel der Verkehrswende entgegen. „Dafür werden viel mehr Menschen gebraucht, die heute überhaupt nicht da sind“, sagte Behle. „Die Situation zurzeit ist mehr als prekär.“

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Aus Sicht der Gewerkschafter und der Klimaaktivisten ist gemeinsames Handeln daher folgerichtig. „Allein in Deutschland gehen wir dafür in über 200 Städten auf die Straße“, kündigte Töllner an. Die größten Kundgebungen werden in Berlin, Hamburg und Köln erwartet, in Berlin rechnet Fridays for Future mit einer fünfstelligen Teilnehmerzahl. „Wir lassen nicht länger zu, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gegeneinander ausgespielt werden.“ Behle sagte: „Eine Verkehrswende wird nicht möglich sein, ohne dass in die Beschäftigten ebenfalls investiert wird.“

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Töllner warb um Unterstützung in der Bevölkerung. „Alle profitieren von ruhigen, sicheren und leiseren Innenstädten ohne Autoverkehr.“ Der ÖPNV stehe allen Verfügung, und der gesellschaftliche Wille für eine breitere Nutzung von Bussen und Bahnen sei da. Dies sei etwa im vergangenen Sommer beim damaligen 9-Euro-Ticket deutlich geworden.

Am Montag waren die Kölner Verkehrsbetriebe wegen eines Warnstreiks stillgelegt.
Am Montag waren die Kölner Verkehrsbetriebe wegen eines Warnstreiks stillgelegt. Christoph Hardt/imago

Kritik an der Politik des Bundesverkehrsministers

Angesichts von Überflutungen, Schneestürmen und Hitzewellen weltweit sei es frustrierend, dass die Einhaltung der Klimaziele in Deutschland immer noch eingefordert werden müsse, sagte Töllner. „Die Emissionen im Verkehrssektor steigen immer weiter, seit 1990 quasi ungebremst.“ Dennoch lege Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) keine Konzepte für eine rapide Absenkung des CO2-Ausstoßes vor.

Bereits seit Wochen bekommen viele Menschen in Deutschland die Ausstände zu spüren. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise waren am Dienstag unter anderem Nahverkehr, Kitas, Müllabfuhr oder Straßenreinigung betroffen. Auch in Berlin hatten Mitarbeiter der BSR einen zweitägigen Warnstreik hingelegt. 

Zum Wochenbeginn hatten Arbeitsniederlegungen der Kommunalbeschäftigten auch die Flughäfen Düsseldorf sowie Köln/Bonn weitgehend lahmgelegt. Hunderte Flüge fielen aus. Der Flughafen Köln/Bonn kam fast komplett zum Erliegen. An diesem Mittwoch wollen Nachwuchskräfte von Bund und Kommunen mit einem bundesweiten Jugendstreiktag ihre Forderungen an die Arbeitgeber bekräftigen. In Gelsenkirchen wird Verdi-Chef Frank Werneke auf einer Kundgebung erwartet.

Verhandelt wird für 2,5 Millionen Beschäftigte der Kommunen und des Bunds

Die Verhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen hatten sich seit dem Start im Januar bisher zäh gestaltet. Verdi und der dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat.

Beim Warnstreik der Berliner Stadtreinigung am 9. und 10. Februar rauchte es orangefarben.
Beim Warnstreik der Berliner Stadtreinigung am 9. und 10. Februar rauchte es orangefarben. Political-Moments/imago

In Berlin geht es um die Beschäftigten der Bundesbehörden und die städtischen Betriebe wie Charité, Vivantes, BSR und Wasserbetriebe, ber nicht die BVG. Für die Beschäftigten von Senat und Bezirken wird nicht verhandelt, weil für sie andere Vereinbarungen gelten – „TV-L“ (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) beziehungsweise „TV-N“ (Tarifvertrag Nahverkehr Berlin). 

Bei der zweiten Verhandlungsrunde hatte es vergangene Woche noch keine Annäherung gegeben. Ein Angebot der Arbeitgeber umfasst unter anderem eine Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro. Behle sagte: „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten.“

Erwartet werden zunehmende Ausstände bis zur dritten Verhandlungsrunde Ende März. Bei diesem wahrscheinlich entscheidenden Zusammentreffen der Spitzenvertreter von Gewerkschaften, Kommunen und vom Bund in Potsdam ist ein Durchbruch ebenso möglich wie ein Scheitern oder der Weg zu einer Schlichtung.

Auch bei Bahnunternehmen sind Warnstreiks zu erwarten

Auch in anderem Branchen untermauern Gewerkschafter derzeit ihre Forderungen mit Ausständen. So werden Warnstreiks im Tarifstreit der Deutschen Bahn nach einer ergebnislosen ersten Runde wahrscheinlicher. Bahn-Personalvorstand Martin Seiler ging am Dienstag entgegen den Forderungen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ohne Angebot in die Verhandlungen in Fulda  für die rund 180.000 Beschäftigten des Konzerns.

Viele reden mit, und schon optisch sind die Positionen weit auseinander: Erste Verhandlungsrunde zwischen Deutscher Bahn und Eisenbahnergewerkschaft EVG in Fulda.
Viele reden mit, und schon optisch sind die Positionen weit auseinander: Erste Verhandlungsrunde zwischen Deutscher Bahn und Eisenbahnergewerkschaft EVG in Fulda. Sebastian Gollnow/dpa

Bereits nach zwei Stunden wurden die Gespräche daraufhin unterbrochen - und der Tonfall zwischen den Parteien verschärfte sich deutlich. EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch machte klar, dass die Gewerkschaft nur bei einem Angebot des Arbeitgebers die Gespräche wieder aufnehmen wolle. „Wir möchten mit Substanz reden.“

Seller wiederum versteht den Abbruch des Gesprächs nicht: „Die EVG hat verlangt, dass wir ohne inhaltliche Erörterung ein Angebot vorlegen - und das ist aus unserer Sicht derzeit nicht möglich.“ Es liege ein „massives Paket“ mit 57 Forderungen auf dem Tisch, „da müssen wir zunächst den Rahmen abstecken, priorisieren und dann in die Details einsteigen.“  

Eisenbahnergewerkschaft verlangt mindestens 650 Euro mehr im Monat

Die Gewerkschaft fordert in der Tarifrunde unter anderem mindestens 650 Euro monatlich mehr. Bei den höheren Entgelten will die Gewerkschaft eine Steigerung um zwölf Prozent erreichen. Für die Nachwuchskräfte fordert die EVG 325 Euro mehr im Monat.

Neben der Deutschen Bahn verhandelt die Gewerkschaft in den kommenden Wochen auch mit 50 weiteren Unternehmen der Branche und geht dabei jeweils mit den gleichen Forderungen in die Gespräche.