DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz gestorben: Er brach im Schloss Bellevue zusammen, Reanimation scheiterte
Während einer Veranstaltung im Schloss Bellevue in Berlin ist der ehemalige Bürgerrechtler im Alter von 72 Jahren verstorben.

Große Trauer um einen großen Kämpfer: Der frühere DDR-Bürgerrechtler und spätere Grünen-Politiker Werner Schulz ist tot. Er starb am Mittwoch während einer Gedenkveranstaltung im Berliner Schloss Bellevue. Das gab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Angaben von Teilnehmern bekannt. Schulz wurde 72 Jahre alt.
DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz bricht bei Veranstaltung zusammen
Nach ersten Informationen war Werner Schulz am Rande der Veranstaltung am Sitz des Bundespräsidenten, bei der es um die Parallelität des Gedenkens an Mauerfall und Novemberpogrom 1938 am 9. November gehen sollte, zusammegebrochen. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der Arzt ist, versuchte demnach noch, den Grünen-Politiker zu reanimieren. Doch seine Versuche scheiterten.
Es war den anwesenden Gästen aufgefallen, dass Schuster unmittelbar vor seiner vorgesehenen Rede den Großen Saal im Schloss Bellevue verließ – wegen eines „Notfalls“, wie die Moderatorin der Tagung sagte.
DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz: Sein politischer Weg
Werner Schulz kam 1950 im sächsischen Zwickau zur Welt. Er entstammte einer sozialdemokratischen Familie und ging nach dem Verbot seines Vaters nicht in die Jugendorganisation der Jungpioniere. Nach dem Abitur und einer Lehre zum Lokomotivschlosser, studierte er Lebensmitteltechnologie in Berlin und blieb dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Er selbst erklärte stets, sich durch den Prager Frühling politisiert zu haben und engagierte sich in der kirchlichen Opposition. Er leistete seinen Wehrersatzdienst als Bausoldat ab, engagierte sich für den ausgebürgerten Musiker Wolf Biermann und protestierte gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan. Im Mai 1989 kritisierte er offen die gefälschten Kommunalwahlen in der DDR. Im Herbst des Wendejahres engagierte er sich im Neuen Forum, war auch bei den großen Montagsdemonstrationen in Leipzig zugegen.

In der Folge schaffte er es für die Liste Bündnis 90/Die Grünen in die erste frei gewählte Volkskammer der DDR. Die Ausgestaltung der Wiedervereinigung hatte Schulz stets kritisiert. Er hatte für einen gemeinsamen Neuanfang plädiert und nicht dafür, dass die Bundesrepublik über die DDR gestülpt würde.
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Werner Schulz war einer der wenigen Ost-Köpfe von Bündnis 90/Die Grünen, die sich in der vereinigten Bundesrepublik durchsetzen konnten. Von 1990 bis 2005 saß er im deutschen Bundestag, war aber zusehends in seiner Fraktion isoliert, weil er seine eigenen Gedanken und Vorstellungen deutlich formulierte und 2003 in der rot-grünen Koalition gegen einen Teil der Hartz-Gesetzgebung stimmte.
2005 wandte Schulz sich gegen die von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestellte Vertrauensfrage im Bundestag, die wie von der Koalition gewünscht zu dessen Auflösung und Neuwahlen (und zur Merkel-Kanzlerschaft) führte. Er fand die Sache fingiert – SPD und Grüne enthielten sich – und erregte mit seinem Vergleich, hier werde „ein Stück Volkskammer“ aufgeführt, den Zorn der eigenen Fraktion.
2005 hatte sich Schulz bei seinen Grünen unbeliebt gemacht
Von führenden Grünen wurde er dafür beschimpft, die damalige Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach vom „tragischen Ende von Werner Schulz“. Jetzt, nach seinem Tod, erklärte die Kulturstaatsministerin, Schulz sei Bürgerrechtler durch und durch gewesen. „In der damaligen DDR, im Bundestag und Europaparlament war er ein glaubwürdiger Kämpfer für Demokratie und Freiheit. Seine Stimme und seine aufrüttelnde Einmischung werden fehlen.“
2009 konnte der begnadete Redner ins Europäische Parlament einziehen, trat 2014 aber nicht mehr an. Für seinen Einsatz für die Demokratie und für die Opposition in Russland wurde Schulz erst im vergangenen Juni mit dem Deutschen Nationalpreis geehrt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und sein Vorgänger Joachim Gauck würdigten ihn als meinungsstarken Streiter für demokratische Werte.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich betroffen. Er schrieb bei Twitter: „Der plötzliche Tod von Werner Schulz am heutigen Jahrestag des Mauerfalls macht mich traurig. Er hat sich sehr verdient gemacht um unser Land, um das Zusammenwachsen von Ost und West. Meine Gedanken sind bei seiner Familie und den Weggefährten – ihnen wünsche ich viel Kraft.“