Milliardenschäden durch Banker und Broker
Cum-Ex-Geschäfte: Bundesgerichtshof entscheidet, dass täuschen, tricksen und abkassieren tatsächlich eine Straftat ist ...

Der Dreistigkeit, dem Steuerzahler Milliarden von Euro aus der Tasche zu ziehen, folgte eine Frechheit: Zwei ehemalige Börsenhändler waren in Revision gegangen, weil sie wegen „Cum-Ex“-Aktiengeschäften zu Haftstrafen (auf Bewährung!) verurteilt worden waren. Eine Bank, die in den Skandal verwickelt war, wollte keine Millionen zurückzahlen. Damit sind sie beim Bundesgerichtshof an die Wand gefahren.
Das Gericht entschied, die Geschäfte seien als Steuerhinterziehung zu bewerten und damit strafbar. Das entspreche nicht nur dem Gerechtigkeitsempfinden, sondern ergebe sich auch unmittelbar aus dem Gesetz.
Verfahren wegen Steuerhinterziehung können weitergehen
Das erste höchstrichterliche Urteil in einem Cum-Ex-Fall war mit Spannung erwartet worden. Jetzt ist klar, dass die strafrechtliche Aufarbeitung des Skandals in mehreren anderen Fällen weitergehen kann.

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Im konkreten Fall hatte das Bonner Landgericht im März 2020 zwei Ex-Börsenhändler aus London wegen Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Der BGH bestätigte auch, dass einer der Männer Profite von 14 Millionen Euro und die in den Skandal verwickelte Privatbank M.M. Warburg mehr als 176 Millionen Euro zurückzahlen muss.
Verwirrung stiften als Geschäftsmodell
Cum-Ex-Geschäfte heißen so, weil große Pakete von Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch rund um den Stichtag für die Ausschüttung in rascher Folge hin- und hergeschoben wurden. Die bewusst undurchsichtigen Transaktionen von Investoren, Börsenhändlern und Banken hatten nur ein Ziel: bei den Finanzbehörden möglichst große Verwirrung stiften. Mit diesem Trick ließen sich die Beteiligten im großen Stil Kapitalertragssteuer erstatten, die nie gezahlt worden war. Die Gewinne wurden aufgeteilt.
Die Akteure hatten immer gesagt, sie hätten nur ein Steuerschlupfloch genutzt. Dem erteilte der BGH eine klare Absage: Aus dem Gesetz habe sich eindeutig ergeben, dass nur eine tatsächlich gezahlte Steuer gegenüber den Finanzbehörden geltend gemacht werden könne, sagte der Vorsitzende Richter Rolf Raum. „Eine Lücke gab's hier nicht.“ Bei Cum-Ex sei es nur um eines gegangen: den „blanken Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler normalerweise einzahlen“.
Gewinne können eingezogen werden
Der BGH entschied auch, dass Gewinne aus den hier verhandelten Geschäften zwischen 2007 und 2011 eingezogen werden können – Verjährung fällt flach. Das habe der Gesetzgeber durch einen im Dezember 2020 neu eingeführten Passus im Strafgesetzbuch klargestellt.
Nach dem nun rechtskräftigen Urteil aus Bonn hatte der hauptangeklagte Brite für das Bankhaus eine Vielzahl sogenannter Leerverkaufsgeschäfte geplant und organisiert. Obwohl allen Beteiligten klar gewesen sei, dass durch die Cum-Ex-Konstruktion nirgendwo Steuern gezahlt wurden, habe sich die Bank selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt ausgestellt. Der zweite verurteilte frühere Börsenhändler hatte demnach nur unterstützende Aufgaben und war nicht an den Profiten beteiligt.
Beide Männer hatten den Ermittlern ausführlich die raffinierten Geschäftspraktiken erläutert und damit neue Verfahren angestoßen. Auch deshalb fielen ihre Strafen vergleichsweise milde aus. Sie hatten für die inzwischen liquidierte Finanzberatung Ballance gearbeitet, die im Cum-Ex-Skandal eine zentrale Rolle spielte.
BGH-Sprecherin Dietlind Weinland sagte, der nun abgeschlossene Fall sei „im Grunde nur die Spitze des Eisbergs“ gewesen. „Es gibt eine Vielzahl von Verfahren, die noch in den Instanzen anhängig sind.“ Das Karlsruher Urteil habe hierfür große Klarheit geschaffen.
Anfang Juni hatte das Bonner Landgericht in einem anderen Verfahren einen ehemaligen Warburg-Mitarbeiter zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Vor dem Landgericht Wiesbaden wird seit März gegen zwei ehemalige Mitarbeiter der Hypovereinsbank verhandelt.
Eigentlich sollte dort auch dem Anwalt und Steuerberater Hanno Berger der Prozess gemacht werden, der als Architekt der „Cum-Ex“-Deals gilt. Er war nicht erschienen und erst vor drei Wochen in der Schweiz festgenommen worden. In Frankfurt läuft ein Prozess gegen fünf ehemalige Mitarbeiter der inzwischen insolventen Maple Bank.

Der Cum-Ex-Skandal beschäftigt auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft. Hier geht es um den Vorwurf einer Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank. Hintergrund sind Treffen des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz mit den Mitinhabern der Bank, Christian Olearius und Max Warburg, in den Jahren 2016 und 2017.
Banker sehen sich selbst als Betrogene
Olearius und Warburg beklagten nach der Entscheidung des BGH, sie hätten in dem gesamten Verfahrensverlauf nie eine faire Chance gehabt, sich zu verteidigen. „Wir werden deshalb zu prüfen haben, ob wir unser Recht nunmehr auf der verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Ebene zu suchen haben.“
Die beiden Börsenhändler hätten Mitarbeiter der Bank planmäßig irregeführt. Zudem habe es sich nach ihrer Ansicht bei der Strafkammer des Bonner Landgerichts, die speziell für den Prozess eingerichtet worden sei, um ein in einem Rechtsstaat unzulässiges Ausnahmegericht gehandelt.