Professor Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik in Bonn: Kann Lauterbachs Äußerungen nichts abgewinnen. Eine hohe Immunitäts-Quote in Deutschland widerspreche dessen Prognose. (Archivbild)
Professor Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik in Bonn: Kann Lauterbachs Äußerungen nichts abgewinnen. Eine hohe Immunitäts-Quote in Deutschland widerspreche dessen Prognose. (Archivbild) dpa/Rolf Vennenbernd

Panikmache oder berechtigte Sorge? Am vergangenen Wochenende warnte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor einer seiner Meinung nach drohenden „Killer-Variante“ des Coronavirus, das uns im Herbst heimsuchen würde. Was den einen oder anderen vielleicht aufschreckte, stößt in Fachkreisen allerdings auf zum Teil scharfe Kritik. Der Virologe Hendrik Streeck war noch recht zurückhaltend, als er eine solche Bedrohung in der Bild-Zeitung vom Dienstag sehr unwahrscheinlich nannte. Von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) hieß es, niemand könne „derzeit sicher sagen, welche Variante wir im Herbst bekommen“.

Lauterbach hatte gemeint, es sei „durchaus möglich, dass wir eine hochansteckende Omikron-Variante bekommen, die so tödlich wie Delta ist“. Dies wäre „eine absolute Killer-Variante“, warnte er. Belege für seine kühne Behauptung nannte er – wie so oft – nicht

Und so grätschten dann auch andere Experten dazwischen. Der Virologe Streeck von der Universität Bonn sagte dazu, eine Variante so ansteckend wie Omikron und so gefährlich wie Delta sei zwar „nicht unmöglich“, doch sei dies „noch lange keine ‚Killer-Variante‘“. Die hohe Immunitäts-Quote in Deutschland widerspreche Lauterbachs Prognose. Es gebe hierzulande eine hohe Impfquote sowie etliche Genesene und „damit einen guten Basis-Schutz“.

Virus-Varianten sind möglich – Bezeichnung „Killer-Variante“ falsch

Divi-Präsidiumsmitglied Stefan Kluge sagte der Funke Mediengruppe, zwar sei nicht auszuschließen, „dass im Herbst wieder Varianten kommen, die schwerer krank machen“. Eine Corona-Mutante als „Killer-Variante“ zu bezeichnen, sei jedoch „unpassend“. Es gebe Infektionen, bei denen die Sterblichkeit deutlich höher liege, als dies bei Covid-19 bisher der Fall gewesen sei. Dazu zähle etwa eine schwere bakterielle Sepsis.

Und auch aus Richtung der Ampel-Koalition war man anscheinend irritiert. Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus jedenfalls hielt es „nicht zielführend, bereits jetzt die Möglichkeit einer schwerwiegenderen Virus-Variante zu diskutieren“. Zwar sei wissenschaftlich belegt, dass das Coronavirus schnell mutiere. Ob neue Mutationen eine gefährliche Variante hervorbringen könnten, könne aber „heute niemand prognostizieren“.

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Kurzum: Virologen sind sich darin einig, dass die Ausführungen des Ministers jeder Grundlage entbehren. Von „Killer-Varianten“ des Virus haben anscheinend sowohl anerkannte Wissenschaftler als auch die Weltgesundheitsorganisation WHO noch nichts gehört. Man muss sich also fragen, woher der Gesundheitsminister seine Informationen bezieht.