Etliche Geschäfte haben wegen Corona aufgegeben, in vielen Betrieben geht die Angst vor der Pleite um - und vor einem wachsenden Mindestlohn.
Etliche Geschäfte haben wegen Corona aufgegeben, in vielen Betrieben geht die Angst vor der Pleite um - und vor einem wachsenden Mindestlohn. Foto: imago images / Ute Grabowsky / Photothek

Berlin – Lässt Corona eine spürbare Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns sterben? Die Kommission aus Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die am Dienstag eine Entscheidung fällen soll, hat sich darüber verzankt. Wenig verwunderlich ist, dass die Gewerkschaften eine ordentliche Erhöhung über die jetzt 9,35 Euro / Stunde hinaus verlangen. Ebenso wenig, dass die Arbeitgeber wegen der die Unternehmen beutelnde Corona-Krise dagegen sind. Stimmen von Kommissionsmitgliedern machen die Frontlinie klar.

Er habe kein Verständnis dafür, „wenn sich in diesen Zeiten Politik und Gewerkschaften mit öffentlichen Vorschlägen geradezu überschlagen“, sagt Steffen Kampeter von der  Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände.

Stefan Körzell vom DGB meint dagegen, dass viele Arbeitnehmer, die beklatscht wurden, weil sie die Versorgung der Bevölkerung in der Corona-Krise gewährleistet hätten, am unteren Ende der Lohnskala stehen. „Dass sie sich jetzt in Verzicht üben sollen, kommt nicht infrage.“

Eine  Grundlage bei der Entscheidung sind Tariferhöhungen der vergangenen zwei Jahre. Auf dieser Basis könnte der Mindestlohn 2021 auf 9,82 Euro angehoben werden. Gewerkschafter fordern mehr. Eine reine Orientierung an der Tarifentwicklung reiche nicht aus.

Weniger Jobs durch mehr Lohn?

Im Mindestlohngesetz ist neben der Orientierung an den Tarifen vorgegeben, dass die Kommission   prüft, „welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen (…) sowie Beschäftigung nicht zu gefährden“.

Auf diesen Passus verweisen die Arbeitgeber. Die Arbeitslosigkeit dürfe nicht steigen, sagt Kampeter. Angesichts einer „so noch nie da gewesenen Wirtschaftskrise“ wegen Corona brauche man ein ausbalanciertes Ergebnis. Der Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Karl-Sebastian Schulte,  spricht von einer „beispiellosen Rezession.“ Der „gesetzlichen Vorgabe, Beschäftigung nicht zu gefährden, kommt dieses Mal eine besondere Bedeutung zu.“

Mehr Konsum durch mehr Lohn?

Nach Ansicht der Gewerkschaften wäre es dagegen jetzt wichtig, den Mindestlohn kräftig zu erhöhen, um den Konsum anzukurbeln. „In der aktuellen Situation beim Mindestlohn die Handbremse anzuziehen, wäre das falsche Signal“, sagt Körzell. Andrea Kocsis von der Gewerkschaft ver.di meint: „Gute und für uns alle wichtige Arbeit muss ordentlich entlohnt werden, das zeigt sich in Zeiten der Pandemie besonders deutlich.“

Die Gewerkschaften fordern schon lange ein deutliches Plus beim Mindestlohn. IG-BAU-Chef Robert Feiger meint, der Mindestlohn müsse so hoch werden,  damit jeder von seiner Hände Arbeit leben könne. Mittelfristig müsse ein Mindestlohn von 12 Euro her, weil man mit der jetzigen Grenze von 9,35 Euro unterhalb der Armutsgrenze verdiene, Altersarmut wegen zu geringer Rentenansprüche drohe.

Den gesetzlichen Mindestlohn gibt es seit 2015. Er lag bei 8,50 Euro die Stunde, wurde  seither in mehreren Schritten erhöht. Laut Gesetz muss eine aus je drei Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern, zwei Wissenschaftlern und einem Vorsitzenden besetzte Kommission alle zwei Jahre die Höhe der Lohnuntergrenze neu festlegen. Ihren Vorschlag kann die Bundesregierung dann per Verordnung verbindlich machen.