Bundespräsident unterzeichnet Gesetz zur Wahlrechtsreform

Bundestag soll schrumpfen, aber am Ende entscheidet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet das Gesetz, das Linke und CSU aus dem Bundestag kegeln könnte

Teilen
Das Plenum des Bundestags im Reichstagsgebäude. Wären immer alle Abgeordneten anwesend, gäbe es Gedrängel. Das soll sich mit der Wahlrechtsreform ändern.
Das Plenum des Bundestags im Reichstagsgebäude. Wären immer alle Abgeordneten anwesend, gäbe es Gedrängel. Das soll sich mit der Wahlrechtsreform ändern.Carsten Koall/dpa

Die umstrittene Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags kann in Kraft treten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das Gesetz hierzu unterzeichnet.  Das Gesetz muss nun nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, um gültig zu sein. Es steht allerdings bereits fest, dass es vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden wird. CSU und Linke behaupten, das Gesetz diene vor allem dazu, sie aus dem Bundestag zu kegeln.

Die CSU-geführte Landesregierung Bayerns hat schon beschlossen, in Karlsruhe zu klagen. Und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will mit einer abstrakten Normenkontrollklage die Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Die Union, aber auch die Linke fühlt sich durch die Reform benachteiligt und hält diese für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Jahrelang war um eine Verkleinerung des Parlaments gerungen worden.

Das jetzt unterschriebene Gesetz wurde dann im März mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne, FDP und einiger AfD-Abgeordneter vom Bundestag beschlossen. Im Mai passierte es den Bundesrat.  

Mit derzeit 736 Abgeordneten ist der Bundestag das größte frei gewählte Parlament der Welt. Das neue Wahlrecht deckelt die Zahl der Sitze nun bei 630.

Gewählt wird weiter mit der Erststimme für den jeweiligen Wahlkreiskandidaten, und mit der Zweitstimme die jeweils gewünschte Partei.

Nur noch das Zweitstimmenergebnis ist ausschlaggebend

Es gibt aber keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Für die Stärke einer Partei im Parlament ist allein ihr Zweitstimmenergebnis entscheidend.

Überhangmandate entstanden bisher, wenn eine Partei über Direktmandate mehr Sitze im Bundestag gewann, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustanden. Diese durfte sie behalten.

Die anderen Parteien erhielten dafür zusätzlich Ausgleichsmandate, damit das Verhältnis zwischen den Parteien entsprechend dem Zweitstimmenergebnis erhalten blieb.

Dieses System führte zu einer immer größeren Aufblähung des Bundestags, der gesetzlich 598 Mitglieder haben musste. 299 Sitze, die Hälfte, waren für die Gewinner aus den 299 Wahlkreisen vorgesehen.

Nach der neuen Regelung wäre die Linke 2021 nicht mehr in den Bundestag gekommen

Auch die sogenannte Grundmandatsklausel fällt jetzt weg. Sie besagt, dass Parteien bisher auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einziehen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen.  

Jede Partei, die in den Bundestag will, muss künftig bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen bekommen. Mit einer  Ausnahme: Parteien nationaler Minderheiten wie der Südschleswigsche Wählerverband der Dänen bleiben davon befreit.

Künftig wird jede Partei nur noch so viele Mandate erhalten, wie ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustehen. Auch dann, wenn sie mehr Direktmandate holt. Dann gehen die Wahlkreisgewinner mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis leer aus.

Dies wird vor allem von der CDU und der CSU kritisiert.

Dass die Grundmandatsklausel wegfällt, erzürnt neben der CSU auch die Linke

Hätte die nur in Bayern antretende CSU bei der Bundestagswahl 2021 nicht bundesweit gerechnet 5,2 Prozent geholt, sondern nur 4,9 wie die Linke, wäre nach dem neuen Wahlrecht keiner ihrer 45 erfolgreichen Direktkandidaten in den Bundestag gekommen. Die Stimmen der Bürger wären verloren.

Die Linke, die von der Grundmandatsklausel profitierte, wäre ebenfalls draußen. Beide Parteien sehen darin eine grobe Missachtung des Wählerwillens.  

Vergeblicher Versuch der Linken, Steinmeier von seiner Unterschrift abzubringen

Die Linke hatte an Steinmeier appelliert, das Gesetz nicht auszufertigen. Vergeblich.

Das Bundespräsidialamt überprüft vor der Unterzeichnung in jedem Fall für das Staatsoberhaupt, ob ein Gesetz nach den Regeln des Grundgesetzes zustande gekommen ist.

Der Präsident hat nach allgemeiner Rechtsauffassung aber auch ein sogenanntes materielles Prüfungsrecht und kann die Unterzeichnung verweigern, wenn er der Auffassung ist, dass ein Gesetz inhaltlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Dies geschah in der Geschichte der Bundesrepublik bislang acht Mal. Die beiden letzten Fälle gab es 2006, als Bundespräsident Horst Köhler erst das Gesetz zur Privatisierung der Luftraumüberwachung und später das Verbraucherschutzgesetz nicht unterzeichnete.