Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der scheidende DGB-Chef  Reiner Hoffmann und seine designierte Nachfolgerin Yasmin Fahimi.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der scheidende DGB-Chef Reiner Hoffmann und seine designierte Nachfolgerin Yasmin Fahimi. dpa/Fabian Sommer

Eigentlich geht es beim zweitägigen Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) darum, den Dachverband der Gewerkschaften zukunftssicher zu machen und eine neue Vorsitzende zu wählen. Doch auch hier war der Ukraine-Krieg gegenwärtig. Denn zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor den gut 400 Delegierten im Hotel Estrel (Neukölln) eine Rede.

„Wir waren uns zu sicher, dass Frieden, Freiheit, Wohlstand selbstverständlich sind. Dieser Krieg macht uns auf eine brutale Weise klar, dass wir unsere Demokratie schützen und verteidigen müssen - nach innen und nach außen!“

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Die Wehrhaftigkeit der Demokratie sei nicht nur in Sonntagsreden nötig. Die Bundeswehr müsse besser ausgerüstet werden. „Außenpolitik und Diplomatie werden auch in Zukunft gebraucht werden.“ Aber erfolgreich verhandeln lasse sich nur aus einer Position der Stärke heraus. „Diesen Willen zur Stärke müssen wir haben und zeigen.“ An dieser Stelle blieb Beifall bei Steinmeiers Ansprache allerdings aus, die sonst mehrfach von Applaus unterbrochen wurde.

Steinmeier wirft Putin Missbrauch der Geschichte vor

Mit Blick auf die für Montag erwartete Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin anlässlich der Sieges der Sowjetunion über das nationalsozialistische Deutschland 1945 sagte Steinmeier: „Wenn Putin am morgigen 9. Mai den Kampf gegen den Nationalsozialismus gleichsetzt mit seinem brutalen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine, dann ist auch das ein perfider und zynischer Missbrauch der Geschichte.“

Steinmeier bezeichnete den Krieg als „Epochenbruch“, der die Europäer zu schmerzhaften Einsichten zwinge. „Der Angriff auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf die Idee der liberalen Demokratie und auf die Werte, auf denen sie gründet: Freiheit, Gleichheit, die Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde.“

Aus voller Überzeugung und mit ganzem Herzen stehe Deutschland gemeinsam mit seinen europäischen Nachbarn an der Seite der Ukraine. Eine Lehre des 8. Mai 1945 sei auch, dass sich die Europäer nicht noch einmal durch Nationalismus und Völkerhass auseinandertreiben lassen dürften. „Nationalismus, Völkerhass und imperialer Wahn dürfen nicht die Zukunft Europas beherrschen.“

Ukraine-Krieg macht Gorbatschows Traum zum Alptraum, meint Steinmeier

Steinmeier erinnerte an die Vision des letzten sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow vom gemeinsamen europäischen Haus. „Aber heute, an diesem 8. Mai, ist der Traum des gemeinsamen europäischen Hauses gescheitert. Ein Alptraum ist an seine Stelle getreten. Dieser 8. Mai ist ein Tag des Krieges.“

Zugleich will Steinmeier nach eigenen Worten Ängsten infolge des Kriegs Raum geben. Viele Deutsche wollten mehr tun zur Unterstützung der Ukrainer, hätten aber auch Angst, dass Deutschland zur Kriegspartei werden könnte.

Besonders viel Applaus erhielt Steinmeier, als er wegen Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg von einer „Zäsur“ in der Weltwirtschaft sprach: „Die Lehre kann doch nur sein: Nicht allein der günstigste Preis auf den Weltmärkten darf darüber entscheiden, mit wem man Geschäfte macht.“

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Die Gewerkschaften rief Steinmeier zu Selbstbewusstsein auf. Sie leisteten einen Beitrag zum Gelingen der Demokratie, diese „starke Säule“ müsse auch weitertragen.

Der scheidende DGB-Chef Reiner Hoffmann rief Putin anlässlich des Gedenkens ans historische Kriegsende zum Ende des Kriegs auf: „Nutzen Sie diesen Tag des Friedens und beendigen Sie diesen völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine sofort.“ Waffenstillstand jetzt laute die Forderung der deutschen, der europäischen und der internationalen Gewerkschaften weltweit.

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Yasmin Fahimi soll den DGB führen.
Yasmin Fahimi soll den DGB führen. dpa/Moritz Frankenberg

Neue DGB-Chefin soll Mitgliederschwund bremsen

Im Rahmen des alle vier Jahre stattfindenden sogenannten Parlaments der Arbeit soll am Montag die SPD-Politikerin Yasmin Fahimi (54) als erste Frau zur neuen DGB-Vorsitzenden gewählt werden. Auf ihr ruhen große Hoffnungen, weil die Zahl der Mitglieder in den acht DGB-Gewerkschaften auch wegen Corona geschrumpft ist: Um 121.000 auf 5,73 Millionen binnen eines Jahres, und das trotz 273.000 Neueintritten.

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Die Chemikerin Fahimi kommt aus der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Sie war 2014 bis 2015 SPD-Generalsekretärin, von 2016 bis zur Wahl 2017 Staatssekretärin im Arbeitsministerium. Seitdem sitzt sie, in Hannover direkt gewählt, für die SPD im Bundestag.