Vor seinem Amtssitz 10 Downing Street gab Boris Johnson seinen Rücktritt bekannt – aber nur als Parteichef, nicht als Premier.
Vor seinem Amtssitz 10 Downing Street gab Boris Johnson seinen Rücktritt bekannt – aber nur als Parteichef, nicht als Premier. dpa/Stefan Rousseau

Bis zuletzt klammerte sich der britische Premier Boris Johnson an die Macht fest. Doch nun ist der konservative Politiker offenbar am Ende seiner Karriere angelangt und am Ende stand er fast ohne Regierung da.

Da war es fast zwingend, dass Johnson den Schritt ging und Donnerstag Mittag als Chef seiner Konservativen Partei zurücktrat. Er wolle aber als Regierungschef weitermachen, bis ein Nachfolger gewählt ist, sagte er in London. Allerdings fordern zahlreiche Parteifreunde, der 58-Jährige solle sofort auch als Regierungschef abtreten. Oppositionsführer Keir Starmer forderte Neuwahlen.

Er sei sehr traurig, dass er „den besten Job der Welt“ aufgeben müsse, so Johnson. Er habe in den „letzten Tagen“ so hart um den Verbleib im Amt gekämpft, weil er es für die Pflicht gehalten habe, sein Mandat weiter auszuüben.

Johnson selbst wurde vor knapp drei Jahren von seiner Partei zum Premier gewählt. Zuletzt waren nach einer ganzen Reihe von Skandalen binnen weniger Stunden fast 60 Minister und andere Regierungsvertreter aus Protest gegen Johnson zurückgetreten.

Fast 60 Politiker traten aus Protest gegen Johnson zurück

Am Donnerstag hatte sich die Regierungskrise weiter verschärft: Am Morgen trat auch die erst vor zwei Tagen nach dem Rücktritt ihres Vorgängers ernannte neue Bildungsministerin Michelle Donelan zurück. Zuletzt forderte ihn sogar der erst am Dienstag ins Amt berufene Finanzminister Nadhim Zahawi zum Rücktritt auf.

Zahawi gilt wie Außenministerin Liz Truss und Handelsministerin Penny Mardaunt als möglicher Nachfolger. In Umfragen führt Verteidigungsminister Ben Wallace. Offiziell hat bisher nur Generalstaatsanwältin Suella Braverman ihre Kandidatur angekündigt.

Am Mittwoch hatte Johnson sich noch kämpferisch gezeigt und einen Rücktritt abgelehnt. Doch nun scheint der Druck zu groß geworden zu sein.

Zahllose Affären ausgesessen

Ausgelöst wurde die jüngste Regierungskrise in Westminster durch eine Affäre um Johnsons Parteikollegen Chris Pincher, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Zuvor war herausgekommen, dass Johnson von den Anschuldigungen gegen Pincher wusste, bevor er ihn in ein wichtiges Fraktionsamt hievte. Das hatte sein Sprecher zuvor jedoch mehrmals abgestritten.

Die Affäre erwies sich nun als Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Johnson steht schon seit Monaten massiv wegen illegaler Lockdown-Partys während der Pandemie im Regierungssitz Downing Street in der Kritik. Er hatte wegen Teilnahme an einer der illegalen Zusammenkünfte selbst einen Strafbefehl von der Polizei erhalten und ist damit der erste britische Regierungschef, der sich während seiner Amtszeit strafbar gemacht hat. Trotzdem stritt er lange jegliches Fehlverhalten ab.