Trotz Entschuldigung

Britischer Premier Johnson verliert zwei Minister: Deshalb treten sie zurück

Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid haben ihre Rücktritte eingereicht

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Die Regierung des britischen Premierminister Boris Johnson muss die Rücktritte zweier Minister verkraften.  Die Opposition fordert Neuwahlen.
Die Regierung des britischen Premierminister Boris Johnson muss die Rücktritte zweier Minister verkraften. Die Opposition fordert Neuwahlen.AFP/Justin Tallis

Die Regierung des britischen Premierministers Boris Johnson gerät ins Wanken: Aus Protest gegen Johnsons Amtsführung haben Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid am Dienstag ihren Rücktritt eingereicht. Sie zogen damit die Konsequenzen aus einer Reihe von Skandalen innerhalb der Regierung und der konservativen Tory-Partei. Die Opposition forderte umgehend Neuwahlen.

Die Öffentlichkeit erwarte „zu Recht, dass die Regierung ordentlich, kompetent und seriös geführt wird“, schrieb Finanzminister Sunak in seinem Rücktrittsschreiben an Johnson. „Ich glaube, dass diese Standards es wert sind für sie zu kämpfen, und deshalb trete ich zurück.“ Javid hielt Johnson vor, unter dessen Führung werde sich die Situation nicht ändern.

Opposition erwartet, dass "diese Regierung jetzt zusammenbricht"

Es sei „klar, dass diese Regierung jetzt zusammenbricht“, schrieb Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour-Partei in einer ersten Reaktion: „Die Tory-Partei ist verdorben und es wird nichts in Ordnung bringen, lediglich einen Mann auszutauschen.“ Was das Land brauche, seien rasche Neuwahlen.

Die Minister-Rücktritte erfolgten wenige Minuten, nachdem Johnson sich am Abend dafür entschuldigt hatte, einen unter dem Verdacht der sexuellen Belästigung stehenden Vertreter seiner konservativen Tory-Partei zum stellvertretenden Parlamentarischen Geschäftsführer gemacht zu haben.

Im Hintergrund schwelt eine Affäre, in der es um sexuelle Belästigung geht

Vize-Geschäftsführer Chris Pincher war Ende vergangener Woche zurückgetreten, nachdem er zwei Männer sexuell belästigt hatte. Dabei wurde bekannt, dass es bereits in der Vergangenheit Vorwürfe gegen ihn gegeben hatte.

Ein Regierungssprecher hatte zunächst dementiert, dass Johnson von den alten Vorwürfen gegen Pincher gewusst habe. Diese Verteidigungslinie brach am Dienstag zusammen, nachdem ein ranghoher früherer Beamter erklärte, dass Johnson bereits 2019 über einen entsprechenden Vorfall informiert worden sei. Oppositionsabgeordnete und einige Tories bezichtigten den Premier daraufhin der Lüge.

Die Regierungspartei war von mehreren Sexskandalen erschüttert worden

„Ich denke, es war ein Fehler, und ich entschuldige mich dafür“, sagte Johnson am Abend vor Reportern zu Pinchers Ernennung. „Im Rückblick war es falsch, das zu tun.“

Die Regierungspartei war in den vergangenen Monaten von einer ganzen Reihe von Sexskandalen erschüttert worden. Mitte Mai war ein Abgeordneter unter Vergewaltigungsverdacht vorübergehend festgenommen worden. Ebenfalls im Mai wurde ein früherer Tory-Abgeordneter wegen sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ende April war ein Parlamentarier zurückgetreten, nachdem er im Parlament auf seinem Handy Porno-Videos angeschaut hatte.

Hinzu kommt der Skandal um alkoholgeschwängerte Partys am Regierungssitz während des Corona-Lockdowns, der Premier Johnson ein parteiinternes Misstrauensvotum einbrachte. Der Premier hatte die Abstimmung Anfang Juni nur knapp überstanden. Damals hatte sich Gesundheitsminister Javid noch öffentlich hinter den Regierungschef gestellt.

Nun schrieb Javid, nach dem überstandenen Misstrauensvotum habe Johnson die Gelegenheit gehabt, „Demut, Zupacken und neue Führung“ an den Tag zu legen. Doch jetzt sei ihm klar geworden, „dass sich die Situation unter Ihrer Führung nicht ändern wird, und Sie haben deshalb auch mein Vertrauen verloren“.

Die Pincher-Affäre habe für Sunak und Javid das Fass zum Überlaufen gebracht, sagte der Tory-Abgeordnete Andrew Bridgen, einer von Johnsons schärfsten Kritikern, dem Sender Sky News. „Es ist Zeit für Boris zu gehen. Er kann das noch ein paar Stunden hinauszögern, wenn er will. Aber ich und ein großer Teil der Partei sind jetzt entschlossen, dass er bis zur Sommerpause weg muss: je früher, desto besser.“