Untersuchungskommission spricht Klartext

Britanniens Ex-Premier Boris Johnson, Ihrer Majestät Oberster Lügenbold

Untersuchungskommission des britischen Parlaments bezichtigt Ex-Premierminister Boris Johnson eines Meers von Lügen.

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Ich, ein Lügner? Nie! Doch Boris Johnson hat es jetzt schwarz auf weiß wegen seiner Märchen über Lockdown-Partys. Schon in seiner Zeit als Journalist erfand er Geschichten über die EU und versprach den Briten in der Brexit-Kampagne das Blaue vom Himmel.
Ich, ein Lügner? Nie! Doch Boris Johnson hat es jetzt schwarz auf weiß wegen seiner Märchen über Lockdown-Partys. Schon in seiner Zeit als Journalist erfand er Geschichten über die EU und versprach den Briten in der Brexit-Kampagne das Blaue vom Himmel.Liam Mcburney/PA Wire/dpa

Jetzt hat Boris Johnson (58) es schwarz auf weiß: Er war Ihrer Majestät Oberster Lügenbold. Ein Untersuchungsausschuss stellte fest, dass der ehemalige konservative Premierminister das britische Parlament wieder und wieder belogen hat. Es ging um seine Aussagen zu Partys am Dienstsitz „10 Downing Street“, die verbotswidrig während der Corona-Pandemie gefeiert worden waren.

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Der vor knapp einem Jahr – noch zu Lebzeiten von Elizabeth II. – aus dem Amt geschiedene Tory-Politiker hatte mehrfach im Parlament angegeben, es habe keine illegalen Lockdown-Partys in seinem Regierungssitz gegeben. Als das nicht mehr zu halten war, stritt er ab, davon Kenntnis gehabt zu haben oder selbst dabei gewesen zu sein. Alles stellte sich als falsch heraus.

Schwere Missachtung des Parlaments

Johnson sagte später, er habe stets nur den Stand seiner Kenntnis wiedergegeben. Doch das nahm ihm, der schon immer mit Unwahrheiten aufgefallen war, der Ausschuss nicht ab.

„Wir ziehen den Schluss, dass Mr. Johnsons Verhalten vorsätzlich war und dass er sich der schweren Missachtung des Parlaments schuldig gemacht hat“, hieß es in dem mehr als 100-seitigen Bericht, der am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Dafür und für weiteres Fehlverhalten empfahl der Ausschuss, den „Right Honorable Boris Johnson“ 90 Tage lang aus dem Unterhaus verbannen. Sonst hätte sich der „Sehr Ehrenwerte“ wohl erneut in seinem Wahlbezirk Uxbridge und South Ruislip den Wählern stellen müssen.

Johnson kam einem Ausschluss aus dem Parlament zuvor

Johnson war allerdings der Sanktion bereits in der vergangenen Woche zuvorgekommen, indem er sein Mandat niederlegte. Die Strafe wäre mit der empfohlenen Dauer deutlich härter ausgefallen, als bislang erwartet. Zusätzlich empfahl der Ausschuss, Johnson seinen Zugangsausweis zum Parlament zu entziehen, wie ihn auch Ex-Abgeordnete erhalten.

Demonstranten wussten es schon länger: Boris Johnson ist ein Lügner und Betrüger.
Demonstranten wussten es schon länger: Boris Johnson ist ein Lügner und Betrüger.Kirsty Wigglesworth/AP

Grund für die Härte der empfohlenen Sanktionen war auch die Reaktion Johnsons, nachdem ihm der Bericht für eine Stellungnahme vorab zugesandt worden war. Johnson hatte den Ausschuss öffentlich als „kangaroo court“ (etwa: Willkürgericht) bezeichnet. Diese und ähnliche Äußerungen wertete der Ausschuss als weitere Missachtung und Bruch von Vertraulichkeitsregeln.

Der siebenköpfige Ausschuss aus Abgeordneten der Torys, von Labour und der Schottischen Nationalpartei machte in dem Bericht deutlich, dass es ums Prinzip geht. „Diese Untersuchung trifft ins Herz unserer Demokratie. Das Unterhaus irrezuführen ist kein Formfehler, sondern eine Angelegenheit von großer Bedeutung.“ Die britische Demokratie hänge davon ab, dass Abgeordnete sich darauf verlassen könnten, dass Regierungsmitglieder ihnen die Wahrheit sagten.

Der Oberste Lügenbold beklagt angebliche Lügen

Johnson reagierte verärgert auf den Bericht und stritt ab, unaufrichtig gewesen zu sein. In einer länglichen Mitteilung warf er dem Parlamentsausschuss Voreingenommenheit vor und behauptete, das Ergebnis der Untersuchung sei politisch motiviert, um ihn loszuwerden.

Die Feststellung, er habe das Unterhaus absichtlich in die Irre geführt, sei „Müll“, schrieb er und fügte hinzu: „Das ist eine Lüge. Um zu diesem irrsinnigen Schluss zu kommen, muss der Ausschuss eine Reihe von Dingen sagen, die offensichtlich absurd sind oder den Tatsachen widersprechen.“

Ob Johnson, der noch immer auf eine Rückkehr an die Regierungsspitze hofft, im Unterhaus noch Unterstützer hat, dürfte sich bereits in der kommenden Woche zeigen. Am Montag sollen die Abgeordneten über die Ergebnisse des Untersuchungsberichts debattieren und darüber abstimmen, ob sie dem Ergebnis zustimmen. Für die Konservative Partei von Premierminister Rishi Sunak dürfte das eine weitere Zerreißprobe werden.

Draußen starben Menschen in Einsamkeit, bei Boris Johnson kreisten die Flaschen

Johnsons Ansehen bei den Angehörigen von Menschen, die in der Corona-Pandemie ums Leben kamen, dürfte jedenfalls erneut gesunken sein. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, fanden im Regierungssitz während der Pandemie weitere, bisher nicht bekannte illegale Feiern statt.

Der anonymen Zeugenaussage eines Regierungsinsiders zufolge war die Downing Street damals wie „eine Oase der Normalität“ mit Geburtstagspartys, Abschiedsfesten und regelmäßigen Weinabenden an Freitagen. Das geschah teilweise zu Zeiten, als die Menschen in Großbritannien nicht einmal von ihren sterbenden Angehörigen Abschied nehmen konnten und selbst Trauerfeiern auf wenige Teilnehmer beschränkt waren.