Blutwäsche, Glaukom-Früherkennung: So sinnlos sind die Igel-Leistungen – doch es gibt zwei Ausnahmen!
Medizinischer Dienst Bund nahm 55 individuelle Gesundheitsleistungen für Selbstzahler unter die Lupe, viele von ihnen sind sogar schädlich.

Sie kosten Versicherte viel Geld – und haben aus Expertensicht keinen medizinischen Nutzen oder sind sogar schädlich. Der Medizinische Dienst Bund hat insgesamt 55 sogenannte Igel-Leistungen unter die Lupe genommen. Und keine der individuellen Gesundheitsleistungen für Selbstzahler ist als positiv eingestuft worden. Zwei seien tendenziell positiv, teilte der Medizinische Dienst Bund am Donnerstag in seinem Igel-Monitor mit. Auch bei neuen Angeboten mit Blick auf Long-Covid-Beeinträchtigungen schneiden die Igel-Leistungen schlecht ab.
Das sind die zehn beliebtesten Igel-Leistungen
Von den insgesamt 55 untersuchten Igel-Leistungen wurden 53 Selbstzahlerleistungen als „tendenziell negativ“, „negativ“ oder „unklar“ bewertet. Zu den von Ärzten meistverkauften Igel-Angeboten gehören demnach Leistungen, die mehr schaden als nützen. Unter den zehn am meisten verkauften Selbstzahlerleistungen sind Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung sowie verschiedene Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen.
Sehr oft nachgefragt werden auch ein zusätzlicher Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, zusätzliche Hautkrebsscreenings, zusätzliche Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft, Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung und Untersuchungen des Blutbilds.
Untersuchungen bringen oft falsche Befunde
Beim Ultraschall zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke und der Gebärmutter beispielsweise, der ganz oben auf der Liste steht, kann es laut Igel-Monitor häufig zu falsch-positiven Befunden und dadurch zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Eingriffen kommen.
Die oft jungen Frauen würden „völlig unnötig in Angst und Schrecken versetzt“, kritisierte Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund. „Diese Leistung dürfte überhaupt nicht mehr angeboten werden, wenn man Patientensicherheit ernst nimmt.“
Nur zwei Igel-Leistungen sind nützlich
Lediglich zwei Leistungen wurden als „tendenziell positiv“ bewertet. Dies waren die Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung, einer sogenannten Winterdepression, und Akupunktur zur Migräneprophylaxe.

Schlechte Noten auch für Long-Covid-Angebote
Als unklar im Nutzen wurden auch zwei neue Angebote für Menschen mit längeren Beeinträchtigungen nach Corona-Infektionen (Long Covid). Sowohl die H.E.L.P.-Apherese („Blutwäsche“) als auch die Hyperbare Sauerstofftherapie werden gegen mehrere Tausend Euro Patientinnen und Patienten angeboten, die unter Long/Post Covid leiden.
Ziel dabei ist, Symptome wie Erschöpfung, Kurzatmigkeit und Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit zu lindern. Aber zur Blutwäsche konnte der Igel-Monitor in medizinischen Datenbanken gar keine Studiendaten finden. Zur Hyperbaren Sauerstofftherapie wurde eine Studie gefunden, aus der aber kein Nutzen abgeleitet werden konnte. Beide Therapieangebote bewertet der Igel-Monitor deshalb mit „unklar“.
Das Geschäft mit individuellen Gesundheitsleistungen laufe trotz aller Zweifel am Nutzen „auf hohem Niveau“, erklärte der Medizinische Dienst Bund. In einer repräsentativen Befragung unter 6000 Versicherten im Alter von 20 bis 69 Jahren gaben fast 80 Prozent an, Leistungen zu kennen, die selbst bezahlt werden müssen. 78 Prozent wurden nach eigenen Angaben über den Nutzen, aber lediglich 56 Prozent auch über mögliche Schäden der angebotenen Leistungen informiert.