Unterstützer von Premier Benjamin Netanjahu in Jerusalem – ob „Bibi“ Ministerpräsident bleiben kann, ist ungewiss.
Unterstützer von Premier Benjamin Netanjahu in Jerusalem – ob „Bibi“ Ministerpräsident bleiben kann, ist ungewiss. Foto: AFP/Emmanuel Dunand

In keinem anderen Land waren die Abstände zwischen Parlamentswahlen in den vergangenen 25 Jahren kürzer als in Israel. Das Mittelmeerland stecke in der längsten politischen Krise seiner Geschichte, sagt Jochanan Plesner, Präsident des Israel Democracy Institute (IDI). Viele Israelis sind wahlmüde, doch am Dienstag, 23. März, steht schon wieder eine Parlamentswahl an – die vierte binnen zwei Jahren.

Nötig ist sie, weil das unter dem Druck der Corona-Krise geschlossene Bündnis zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seinem Rivalen Benny Gantz nach wenigen Monaten zerbrochen war.

Eine weitere Neuwahl noch 2021 denkbar

Netanjahu und sein rechtskonservativer Likud dürften wieder stärkste Kraft werden. Doch ob der 71-Jährige eine Koalition formen und erneut Regierungschef werden kann, ist ungewiss. Eine weitere Neuwahl noch in diesem Jahr ist denkbar.

Netanjahu punktet mit Impf-Erfolgen

Netanjahu – Spitzname Bibi – ist seit 2009 durchgängig Ministerpräsident und der am längsten amtierende Regierungschef des Landes. Viele junge Israelis kennen keinen anderen. Im Wahlkampf setzt er vor allem auf außenpolitische Erfolge wie die Annäherung an arabische Golfstaaten – und auf die rasante Impfkampagne.

Netanjahu will, dass Israel als erster Staat die Corona-Krise hinter sich lässt. Die Chancen dafür stehen gut. Dennoch könnte der Likud Umfragen zufolge einige Sitze im Parlament verlieren.

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Hierfür gibt es mehrere Gründe: So läuft gegen Netanjahu ein Prozess. Als erster amtierender Ministerpräsident Israels muss er sich vor Gericht gegen Korruptionsvorwürfe wehren. Seit dem Sommer gibt es jeden Samstag im ganzen Land Proteste gegen ihn. Mit einer Rechtskoalition könnte Netanjahu versuchen, eine Verurteilung zu verhindern.

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Viele hadern zudem mit seinem Kurs in der Corona-Krise: Die täglichen Infektionszahlen lagen 2020 über denen in vielen anderen Ländern, die Lockdown-Phasen waren sehr lang, viele Menschen verloren ihre Jobs.

Benjamin Netanjahu mit Ehefrau Sara – beide stehen im Zentrum von Steuer- und Korruptions-Affären, der Prozess gegen den Premier läuft noch.
Benjamin Netanjahu mit Ehefrau Sara – beide stehen im Zentrum von Steuer- und Korruptions-Affären, der Prozess gegen den Premier läuft noch. Foto: imago/UPI Photo

Auch wurde Netanjahu von säkularen Israelis zu viel Rücksichtnahme auf die Ultraorthodoxen vorgeworfen – strengreligiöse Parteien waren in der Vergangenheit sehr wichtige Partner für ihn. So entbrannte ein Streit, der die israelische Gesellschaft auf eine harte Belastungsprobe stellt.

Starke Rivalen im rechten Lager

Generell gilt: Das rechte Lager hätte eine klare Mehrheit, doch Netanjahu kann nicht auf dessen uneingeschränkte Unterstützung zählen, weil er zu viele Protagonisten verprellt hat. Das Einende und Trennende fokussiert sich bei dieser Wahl stärker auf die Person Netanjahus als auf ein Lagerdenken zwischen Rechts und Links.

Umfragen zufolge wurden Gantz und sein Bündnis Blau-Weiß in der Koalition nahezu zerrieben, der Einzug in die Knesset ist unsicher. Damit steht Netanjahu aus dem Mitte-Links-Lager vor allem die Zukunftspartei und deren Vorsitzender Jair Lapid gegenüber.

Und auch im rechten Lager lauern starke Rivalen. Politiker wie Gideon Saar wollen Netanjahu ablösen, ihm wichtige Stimmen abnehmen. Angekreidet wird Bibi von rechts unter anderem der vorläufige Verzicht auf Annexionen im Westjordanland im Gegenzug für die Annäherung an die Golfstaaten.

Zur Abstimmung aufgerufen sind etwa 6,6 Millionen Menschen, coronabedingt findet sie unter besonderen Umständen statt. Eine Briefwahl gibt es in Israel nicht. So werden spezielle Autos eingesetzt, um Infizierten die Stimmabgabe zu ermöglichen. Knapp 60 Wahllokale werden in Corona-Stationen in Krankenhäusern eingerichtet. Wegen der besonderen Umstände könnte sich die Auszählung bis in die Woche darauf ziehen.