Streik-Sommer wird wahrscheinlicher

Bahngewerkschaft ruft Mitglieder zur Streik-Abstimmung auf

Bei der Bahn drohen unbefristete Streiks mit Zugausfällen. Der Vorstand der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft will über Streiks abstimmen lassen.

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Ein ICE steht in einem Bahnhof. Ein Streik würde jetzt viele Urlaubspläne durcheinander bringen.
Ein ICE steht in einem Bahnhof. Ein Streik würde jetzt viele Urlaubspläne durcheinander bringen.Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Bei der Bahn drohen möglicherweise noch im Sommer unbefristete Streiks mit zahlreichen Zugausfällen. Der Bundesvorstand der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat am Donnerstag in Berlin beschlossen, die Mitglieder in einer Urabstimmung darüber entscheiden zu lassen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

Den Fahrgästen der Deutschen Bahn und auch der Konkurrenzunternehmen könnten damit unruhige Wochen bevorstehen.

Am Mittwochabend hatte die Tarifkommission der EVG die Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn für gescheitert erklärt. Sie begründete den Abbruch damit, dass die von der Bahn angebotene Gehaltserhöhung - nach dpa-Informationen 420 Euro im Monat - zu niedrig sei und zu spät komme. Die dabei vorgesehene Vertragslaufzeit von 27 Monaten sei „deutlich zu lang“, hieß es.

Der Chef der Bahngewerkschaft EVG fordert, die Bahn müsse „ordentlich nachlegen“

„Wir werden jetzt in die Vorbereitung der Urabstimmung gehen, mit allen damit verbundenen Folgen. Unbefristete Streiks werden dadurch möglich“, sagte EVG-Chef Martin Burkert. „Wir sind nach wie vor verhandlungsbereit.“ Um zu einem Abschluss zu kommen, müsse die Deutsche Bahn jetzt noch mal „ordentlich nachlegen“. „Wir fordern nichts Unmögliches. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind es, die dafür sorgen, dass Bus und Bahn trotz aller nicht von ihnen zu verantwortenden Widrigkeiten täglich fahren und erwarten dafür zu Recht eine angemessene Bezahlung“, sagte Burkert.

Angesichts der immer noch hohen Inflation erwarteten die Beschäftigten „umgehend“ eine kräftige Lohnerhöhung. „Die DB AG wollte aber in einem ersten Schritt nicht mehr als 200 Euro mehr zahlen und das auch erst im Dezember.“ Das sei zu wenig und zu spät. „Dass wir unsere Forderung nicht in voller Höhe durchsetzen werden, ist völlig klar, aber in die Nähe wollen wir schon kommen“, sagte Burkert.

Die Bahn-Gewerkschaft fordert 650 Euro mehr pro Monat

Die Organisation der Urabstimmung wird einige Wochen dauern. Es ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass die EVG auch in dieser Zeit schon mit befristeten Warnstreiks Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben wird.

Der Tarifkonflikt dauert seit Ende Februar an. Die EVG ging mit dem Ziel einer Festbetragserhöhung von mindestens 650 Euro im Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Lohngruppen in die Gespräche. Die Laufzeit sollte nach ihren Vorstellungen ein Jahr betragen.

Die Bahn hat nach eigenen Angaben zuletzt einen hohen Festbetrag, eine Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro und weitreichende strukturelle Verbesserungen bei 27 Monaten Laufzeit des Tarifvertrags in Aussicht gestellt.

Bahn-Streik bring Urlaubspläne der Fahrgäste in Gefahr

Durch den Vorstandsbeschluss von Donnerstag könnten die Sommerferien in mehreren Bundesländern nun durch lange Streiks gestört werden. In Nordrhein-Westfalen haben die Ferien schon begonnen, am 6. Juli folgen Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt.

Die Deutsche Bahn hat die Pläne der Gewerkschaft EVG für eine Urabstimmung über unbefristete Streiks als „absolut unnötig“ kritisiert. „Die EVG will jetzt Millionen Menschen die Sommerferien vermiesen. Das braucht und will niemand“, teilte der Konzern am Donnerstag mit. Es sei ein Unding, „die Reisenden ständig mit Streikdrohungen zu verunsichern“.

Bahn-Vorstand kritisiert Streik-Abstimmung als „absolut unnötig“

Ein Abschluss der Tarifverhandlungen sei am Mittwochabend ganz nah gewesen. „Es liegen 140 Seiten unterschriftsreifer Tarifvertrag auf dem Tisch. Alles bisher in den Verhandlungen Erreichte ist nun weg“, hieß es in der Konzern-Mitteilung. „Ein Ergebnis wird durch die Urabstimmung um Monate verzögert.“ Die DB sei weiter „lösungsbereit“.

Zu Beginn der laufenden Woche hatte die EVG mit Tarifeinigungen bei einigen Privatbahnen überrascht, bei denen Lohnerhöhungen von 420 Euro in mehreren Stufen, eine Laufzeit von meist 21 Monaten und 1000 bis 1400 Euro Inflationsausgleichsprämie vereinbart wurden. Die auch bei diesen Eisenbahn-Unternehmen zunächst geforderten 650 Euro mehr pro Monat bei zwölf Monaten Laufzeit hatten aber offensichtlich hohe Erwartungen ausgelöst: Unter den Mitgliedern der EVG wurden die Abschlüsse kontrovers diskutiert.

Unterschiedliche Schuldzuweisungen aus der Politik

Die Linke sieht die Verantwortung für das Scheitern der Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn beim Unternehmen. Die Bahn nehme „mit ihrer Blockadehaltung gegenüber den berechtigten Forderungen der Beschäftigten ein Bahnchaos in den Sommerferien billigend in Kauf“, sagte Parteichefin Janine Wissler am Donnerstag in Berlin. „Die Sturheit der Bahn bei der Diskussion um die Vertragslaufzeit führte dazu, dass die Tarifverhandlungen scheitern mussten.“ 27 Monate Laufzeit für den Tarifvertrag seien zu lang.

„Es ist absurd, wenn der Vorstand Erfolgsboni für Führungskräfte beschließt, ein Bahnchef sein Gehalt verdoppelt und sich gleichzeitig weigert, beim Service-Personal ein Angebot auf den Tisch zu legen, das keinen Reallohnverlust bedeutet“, sagte die Linken-Politikerin. Sie forderte Bewegung auf der Arbeitgeberseite.

Aus der Union kommt Kritik am Agieren der EVG. Fraktionsvize Ulrich Lange: „Es verwundert nicht, dass die EVG die Verhandlungen platzen gelassen hat. Das ist ein sturer Verein, der die Scheuklappen aufhat und mit dem Kopf durch die Wand will – bei allem Respekt vor der Tarifautonomie.“ Irgendwann sei das Maß aber auch einmal voll, sagte der CSU-Politiker. „Ständige Streiks sind doch kein Allheilmittel und treiben die Bahnfahrer, die mit alledem am Wenigsten zu tun haben, in den Wahnsinn.“

Union verlangt Komplett-Umbau der Chaos-Bahn

Lange bekräftigte seine Forderung nach grundlegenden Reformen bei der bundeseigenen DB. Anlässlich einer Debatte im Bundestag sprach er von einer „miesen Performance“ der Bahn mit unpünktlichen Zügen und Zugausfällen. Es müsse zu einer kompletten Neuaufstellung kommen. Infrastruktur- und Transportbereich der Bahn sollten voneinander getrennt werden. Das Schienennetz solle in eine weisungsgebundene bundeseigene GmbH überführt, die Finanzierung neu aufgestellt werden.