Auszubildende Leyla (r.) bekommt in einem Hotelzimmer erklärt, wie ein Gästebett gemacht wird.
Auszubildende Leyla (r.) bekommt in einem Hotelzimmer erklärt, wie ein Gästebett gemacht wird. dpa/Bernd Weißbrod

Rosinenpicken bei der Auswahl von Azubis? Das ist für viele Betriebe vorbei. In Deutschland herrscht Ausbildungsnotstand – und die Corona-Situation hat diese Lage noch verschlimmert.

Einerseits sank die Zahl der Ausbildungsstellen dramatisch. Denn viele Firmen mussten während der Pandemie Stellen streichen, um zu überleben. Andererseits fehlt es aber auch an Bewerberinnen und Bewerbern. Noch nie blieben in den jüngsten Jahren so viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Ein neues Modell aus dem Südwesten soll jetzt Abhilfe schaffen.

Denn Baden-Württemberg setzt unter anderem auf sogenannte Ausbildungsscouts, um den Fachkräftemangel einzudämmen. Rund 262.000 Euro lässt sich das Ministerium das kosten und fördert fünf Vollzeit- und zwei Teilzeitstellen bei verschiedenen Trägern. Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) rechnet damit, dass ab dem Ausbildungsjahr 2022 mehr Schulabgänger einen Platz suchen, weil sich 2020 und 2021 viele zurückgehalten hätten.

Beratung für die Unternehmen

Im Einsatz als Ausbildungsscout ist etwa Muhammet Karatas von der IHK Region Stuttgart. Karatas berät Unternehmen kostenlos und wirbt dafür, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Karatas Ziel ist es, bis Jahresende mindestens 200 Unternehmen zu erreichen.

„Durch Corona bilden viele Unternehmen weniger oder auch gar nicht mehr aus“, sagt Karatas. Grund dafür seien unter anderem Existenzängste der Unternehmer. „Viele fragen sich auch, was mit den Azubis passiert, wenn es ein Betrieb nicht durch die Pandemie schafft“, sagt der 44-Jährige.

Muhammet Karatas kämpft als Ausbildungsscout gegen den Azubi-Notstand an.
Muhammet Karatas kämpft als Ausbildungsscout gegen den Azubi-Notstand an. dpa/Bernd Weißbrod

Die Azubi-Lage ist aber nicht nur in Baden-Württemberg dramatisch: Bundesweit sind laut einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) knapp 40 Prozent der Plätze im laufenden Ausbildungsjahr bis September nicht vergeben worden. Die Zahl der Bewerbungen sinke zwar schon länger, durch die Corona-Pandemie habe sich der Rückgang aber nochmals verstärkt, sagt der Leiter des Instituts, Bernd Fitzenberger. „Die bestehende hohe Unsicherheit über die zukünftigen Entwicklungen lässt viele Jugendliche eher dazu neigen, länger im Schulsystem zu verbleiben.“ Viele Schulabgänger würden aus demselben Grund auch ein Studium beginnen.

40 Prozent der Ausbildungsplätze sind noch offen

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) weist darauf hin, dass die niedrigen Bewerberzahlen aber auch mit der sinkenden Zahl der Schulabgänger durch geburtenärmere Jahrgänge zusammenhängen.

Selbst wenn sich ein Schüler oder eine Schülerin für eine Ausbildung interessiert, sind durch Corona Berufsberatung, Praktika und Ausbildungsmessen überwiegend ausgefallen. Fitzenberger hält aber gerade diese Dinge für wichtig. „Jugendliche haben vor Abschluss der Schule nur sehr unvollständige Vorstellungen über ihre beruflichen Neigungen und beruflichen Fähigkeiten“, erklärt der Institutsleiter.

Junge Leute verkennen die Chancen in Ausbildungsberufen

Trotz mehr Ausbildungsplätzen als Bewerbern waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 27.100 Bewerberinnen und Bewerber im Januar 2022 noch ohne Ausbildungsplatz. Dieses Ungleichgewicht hängt unter anderem an Unterschieden zwischen den Berufs- und Ortswünschen und ausgeschriebenen Stellen sowie fehlenden Qualifikationen zusammen.

Karatas hält das seiner Meinung nach schlechte Image von Ausbildungsberufen für einen Grund für die niedrigen Bewerberzahlen. „Viele junge Leute kennen nicht die Chancen, die eine Ausbildung bietet“, sagt er. Mit Imageproblemen speziell bei handwerklichen Ausbildungsberufen kämpft auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). „Nur mit genügend Azubis haben wir die dringend nötigen Fachkräfte in der Zukunft“, mahnt der Verband.