Autofreie Sonntage: Darum ist diese Aktion in Deutschland nicht (mehr) denkbar
Seit Jahrzehnten ist das in Deutschland ein Streitthema. Andere Länder machen es einfach.

Um 9.24 Uhr biegt ein kleiner schwarzer Opel auf den Boulevard Lemonnier in Richtung der Brüsseler Innenstadt ab. Die Fahrerin gibt Gas. Sie kann, denn ihr Auto ist an diesem Sonntagmorgen das Einzige auf der sonst so viel befahrenen Straße. Und sie muss, denn nur sechs Minuten bleiben ihr noch, um an ihr Ziel zu kommen. Dann wird das Fahren für diesen Tag, wie jedes Jahr einmal, in der ganzen Stadt verboten sein.
Der autofreie Sonntag in Brüssel ist in die Europäische Mobilitätswoche eingebunden, an der sich auch viele deutsche Städte beteiligen. Sie hat am Freitag begonnen, noch bis zum Donnerstag gibt es an vielen Orten Veranstaltungen, teils auch Straßensperrungen. Doch eine ähnlich weiträumige Umsetzung eines autofreien Tages wie in Brüssel, das mit einer Fläche von rund 160 Quadratkilometern zumindest für knapp zehn Stunden am Wochenende die größte derartige Zone Europas war, gibt es in Deutschland nicht.

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„Ein autofreier Tag über das gesamte Stadtgebiet Dresdens ist rechtlich nicht möglich“, teilt die sächsische Landeshauptstadt auf Anfrage mit, und auch die Stadt Frankfurt am Main hält einen autofreien Tag für die ganze Stadt „innerhalb der bestehenden Gesetze und Verordnungen für nicht realisierbar“. Für eine vergleichbare Großveranstaltung brauche es einen politischen Beschluss, heißt es von der Stadt Wuppertal.
Autofreie Sonntage seit Jahrzehnten Streit-Thema
Seit Jahrzehnten sind autofreie Sonntage ein kontrovers diskutiertes Thema. „An den nächsten vier Sonntagen dürfen Kraftfahrzeuge nicht für private Zwecke benutzt werden, außer in Notfällen, für Fahrten zur Arbeit und in die DDR“, meldeten deutsche Medien im November 1973. Vor dem Hintergrund der Ölkrise beschloss die Bundesregierung vier autofreie Sonntage als Teil des sogenannten Energiesicherungsgesetzes. Bald 50 Jahre sind vergangen, doch in veränderter Form gibt es das Energiesicherungsgesetz noch immer, kürzlich erst lieferte es die rechtliche Grundlage für die Gasumlage. Im April forderte eine von 65.000 Menschen unterzeichnete Petition den Bundestag unter anderem dazu auf, die autofreien Sonntage erneut einzuführen.
In Brüssel ist es ungewöhnlich still an diesem kalten Sonntagmorgen. An 364 Tagen im Jahr ist die belgische Hauptstadt von Autos dominiert. Heute wagen sich Familien und Kinder auf die großen Straßen, und während nicht wenige das Fahrradfahren erst lernen, sind andere schon weiter und fahren auf den Hinterrädern, die Vorderräder in der Luft, die Boulevards hinunter.
Freiburg: Autofreier Sonntag eher symbolisch
Selten ähneln sich die Viertel der kontrastreichen Stadt und die Tätigkeiten, denen ihre Bewohner nachgehen, so sehr wie an diesem autofreien Sonntag. Die Freiburger Stadtverwaltung jedoch sieht ein Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Nutzen und dem organisatorischen Aufwand, und merkt – „ohne den Wert eines solchen Zeichens infrage stellen zu wollen“ – an, dass ein autofreier Sonntag in erster Linie symbolisch sei.
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In Brüssel indes gibt es die autofreien Sonntage seit dem Jahr 2000, und im vergangenen Jahr wurden Daten erhoben, die einen deutlichen Rückgang der Luftverschmutzung, teils über 80 Prozent einzelner Schadstoffe, und der Lärmbelastung belegen. Und der autofreie Sonntag bietet auch die Chance zu erleben, wie das Leben in einer Stadt ohne Autos eines fernen Tages sein könnte.
In Deutschland wird man derartiges wohl vorerst nicht erleben können. Das liegt nicht nur an den Städten, sondern auch an der Bundesregierung. Dort kann man sich nicht einmal zu einem Tempolimit auf Autobahnen durchringen – und das obwohl so einiges an Sprit gespart werden könnte.