Der Zoff in der Partei wird immer heftiger
Austritte nach Wagenknecht-Rede: Zerlegt sich die Linkspartei selbst?
Die Spannungen in der Linken zwischen Wagenknecht-Kritikern und ihren Unterstützern führen zur Zerreißprobe.

Im innerparteilichen Kampf der Linken um Sahra Wagenknecht und ihre umstrittene Rede im Bundestag wird Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch aus der Partei zum Rücktritt aufgefordert. Das lehnte er jetzt ab. „Nein, sicher nicht“, sagte er dem Stern. Der Vorschlag, dass Wagenknecht vergangene Woche in der Haushaltsdebatte sprechen solle, „kam nicht von der Fraktionsführung, sondern von den Haushältern“, sagte Bartsch. „Es gab eine Debatte in der Fraktion. Da hätte jedes Mitglied der Fraktion den Antrag stellen können: Sahra Wagenknecht soll nicht reden. Hat aber niemand.“
–Der lange anhaltende Streit zwischen einer Partei-Strömung um Wagenknecht und moderateren Politikern der Linken ist seit der Rede aufgeflammt und hat zu Austritten geführt. Ulrich Schneider, auch Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, gab auf Twitter bekannt: „Da es ohnehin schon Kreise zieht: Daß die Linksfraktion am letzten Donnerstag im Bundestag Sahra Wagenknecht ans Podium ließ, und was diese dann – man hätte es wissen müssen - vom Stapel ließ, war zu viel. Ich bin aus der Partei Die Linke ausgetreten.“
Da es ohnehin schon Kreise zieht: Daß die @Linksfraktion am letzten Donnerstag im BT @SWagenknecht ans Podium ließ, und was diese dann - man hätte es wissen müssen - vom Stapel ließ, war zu viel. Ich bin aus der Partei @dieLinke ausgetreten.
— Ulrich Schneider (@UlrichSchneider) September 12, 2022
Meistgelesen
Forscher finden DAS heraus
Studie enthüllt: Wer in diesem Alter in Rente geht, stirbt früher
Blick in die Sterne
Horoskop fürs Wochenende: 23. und 24. September 2023 – für alle Sternzeichen
Chef gegen Assistenten
Trainer-Zoff vorm Spiel in Kiel bei Hertha BSC: Es geht um Dardai
Anzeige gegen Produktion
Walentina enthüllt Gewalt im „Sommerhaus“: „ER gesteht eine Straftat“
Stromfresser oder nicht?
Wie teuer ist es wirklich, wenn das Ladekabel in der Steckdose bleibt?
Unter dem Post allein finden sich Hunderte Kommentare von anderen Linken-Politikern von Gemeindeebene bis ins Parlament. Die sächsische Bundestagsabgeordnete Caren Lay zeigte sich fassungslos: „Die Entscheidung, Wagenknecht reden zu lassen war die fatalste von vielen falschen Entscheidungen, es macht mich fertig.“
Dabei ist jedoch nicht nur der russische Krieg gegen die Ukraine ein Dilemma für die Linkspartei. „Das begann schon mit der Bundestagwahl, bei der die Linke nur durch drei Direktmandate überhaupt noch in den Bundestag eingezogen ist“, sagt Jochen Staadt, Politologe an der Freien Universität Berlin. So habe die AfD der Linkspartei vor allem in ihrem Stammgebiet Ostdeutschland die Protestwähler abgegraben. „Der Partei fehlt derzeit einfach ein Topthema“, so Staadt.
Auch Finanzexperte Fabio De Masi verlässt Linke und kritisiert „eklatantes Versagen“
Bei Schneiders Austritt blieb es nicht. Auch der Finanzexperte und ehemalige Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi hat den seinen verkündet. Auf Twitter schrieb er zwar, dass seine Entscheidung „nicht Teil einer Flügelauseinandersetzung“ sei. Weiter hieß es: „Aber ich möchte nicht mehr in Verantwortung für das eklatante Versagen der maßgeblichen Akteure in dieser Partei in Verantwortung genommen werden, die eine große Mehrheit der Bevölkerung im Stich lassen, die eine Partei brauchen, die sich für soziale Gerechtigkeit und Diplomatie überzeugend engagiert.“
Ich habe soeben gegenüber dem Landesverband Hamburg der Partei @dieLinke meinen Austritt aus der Partei erklärt. Meine Entscheidung ist nicht Teil einer Flügelauseinandersetzung und ich habe nicht vor mich in absehbarer Zeit in einer anderen politischen Formation zu engagieren.
— Fabio De Masi 🦩 (@FabioDeMasi) September 13, 2022
Sahra Wagenknecht warf Bundesregierung vor, einen „Wirtschaftskrieg gegen Russland“ zu führen
Der Austritt kommt nachdem die Linke-Bundestagsfraktion vergangenen Donnerstag Sahra Wagenknecht sprechen ließ - obwohl diese eine Position vertritt, die nach Meinung der Kritiker, gegen die Parteitagsbeschlüsse der Linken verstößt. Die Ex-Fraktionschefin hatte der Bundesregierung mit Blick auf Russland vorgeworfen, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen“ und einen Stopp der Wirtschaftssanktionen gegen Russland gefordert. Kritiker warfen ihr vor, dass dies eine Verdrehung der Täter-Opferrolle sei.
Die Parteichefs Janine Wissler und Martin Schirdewan kritisierten zudem, dass dies in Teilen nicht den beschlossenen Positionen der Partei entspricht. Wagenknecht-Anhänger in der Linken stärkten ihr dagegen den Rücken. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen sieht Wagenknecht hingegen im Recht. „DIE LINKE hat eine klare Beschlusslage zu Wirtschaftssanktionen. Wir lehnen sie ab. Punkt!“, legte sie auf Twitter nach. Wagenknecht liege richtig.
Werfen die Linken Wagenknecht raus?
Statt auszutreten, versuchen einige Linken-Abgeordnete hingegen einen Parteiausschluss der Populistin Wagenknecht zu erreichen. In einem offenen Brief fordern mehrere Landtagsabgeordnete aus den ostdeutschen Ländern, Wagenknecht aus der Partei werfen zu lassen. Sie haben dazu einen offenen Brief initiiert. Rund 2000 Unterstützer haben ihn bisher unterzeichnet, darunter mehrere Bundestagsabgeordnete. Wagenknecht würde mit ihren Positionen nicht erst zum russischen Krieg in der Ukraine die Partei spalten.
Bereits 2021 hatte man erfolglos versucht, Wagenknecht aus der Partei auszuschließen.
Wie der Konflikt ausgeht, ist bisher noch unklar. Fest steht jedoch, dass es in jedem Fall einen Verlierer geben wird. „Mit einem Ausschluss von Wagenknecht oder einem Austritt ihrer Kritiker würde die Partei in jedem Fall geschwächt“, so Politologe Jochen Staadt. „Als Wagenknechts Mann Oskar Lafontaine die SPD verließ, hat der das massiv geschadet“. Ein letzter Ausweg wäre immerhin wieder zum bisherigen Patt zurückzukehren. „Wenn einer der anderen Parteiälteren sich äußern würde und Wagenknecht zur Ordnung rufen würde, könnte das sie Situation möglicherweise nochmal befrieden“, so Staadt. Doch ob Wagenknecht oder ihre Kritiker überhaupt noch zu beruhigen sind, ist unklar.
Dieser Artikel wurde um die Aussagen von Fraktionschef Dietmar Bartsch aktualisiert.