Das waren noch Zeiten, als Kundinnen und Kunden aus dem Otto-Katalog bestellten: Der Konzern macht seine Umsätze längst im Internet.
Das waren noch Zeiten, als Kundinnen und Kunden aus dem Otto-Katalog bestellten: Der Konzern macht seine Umsätze längst im Internet. imago images/imagebroker

Erinnert sich noch jemand an Neckermann oder Quelle? Im Gegensatz zu den gescheiterten Konkurrenten hat Otto die Internet-Revolution glänzend gemeistert, stellt sich dabei oft an die Spitze von Trends. So hatte Konzernchef Werner Otto dafür gesorgt, dass seit 2005 Öko-Textilien aus nachhaltiger Produktion in den Katalog kommen. Bereits seit 1999 verkauft Otto schadstoffarme Möbel mit dem FSC-Siegel, und schon 1991 waren Textilien mit Echtpelz aus dem Programm geflogen. Bei der Lieferung verspricht der Konzern seit einiger Zeit CO₂-Neutralität durch Einsatz von Elektro-Fahrzeugen und sogar Lastenautos.

Und nun das: Otto gendert. In einem ausführlichen Beitrag auf der Otto-Website zur geschlechtergerechten Sprache werden die Gründe für deren Verwendung gegenüber Mitarbeitern und Kunden genannt.

Wörtlich heißt es dort:„ Wir bei OTTO verändern uns und unsere eigene Sprache. Wir entscheiden uns für ein *. Für die gleichberechtigte Sprache für Männer, Frauen und alle weiteren Geschlechter. Für die aktive Veränderung unserer Sprache hin zu einer Sprache für alle.“

Boykottaufruf gegen Versandhändler Otto aus der AfD

Die Verwendung des Gendersternchens spaltet die Öffentlichkeit: Viele vor allem ältere Menschen lehnen es ab, während Umfragen zufolge jüngere Menschen geschlechtergerechte Sprache mehrheitlich entweder selbst verwenden oder die Verwendung befürworten. Die Gegner geschlechtergerechter Sprache vertreten ihre Meinung mit Wut, AfD-Politiker Jörg Meuthen veröffentlichte sogar einen Boykott-Aufruf gegen das Unternehmen.

Das wiederum bewegt Gegner der rechtsextremen Partei, sich für das Hamburger Versandhaus-Unternehmen starkzumachen. Auf die Drohung, Kunden würden Otto nun den Rücken zuwenden und stattdessen woanders bestellen, reagierte das Unternehmen selbstbewusst:

Der frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi setzte sich mit seiner Reaktion auf die Otto-Entscheidung in die Nesseln: Denn er hält das Gendern für ein Ablenkungsmanöver, das ein aus seiner Sicht viel wichtigeres Thema überdeckt.

Dafür musste De Masi heftige Prügel einstecken, auch von Anhängern seiner eigenen Partei.

De Masis Einwurf hat folgenden Hintergrund: Die Otto Holding, zu dem unter anderem auch das Logistik-Unternehmen Hermes gehört, hat während der Pandemie glänzend davon profitiert, dass viele Läden geschlossen waren. 4,5 Milliarden Euro setzte Otto im Jahr 2020/21 um, rund ein Drittel mehr als im Vorjahr. Tausende Mitarbeiter arbeiten zu Niedriglöhnen oder werden komplett ersetzt, etwa durch Roboter-Transporter in Logistikzentren. Mitten in der Pandemie wurde ein Annahmezentrum für Retouren in Hamburg geschlossen, stattdessen gehen diese nun in die Billiglohnländer Tschechien und Polen. Das sind Schritte, die allerdings auch andere Versandhändler wie beispielweise H&M unternommen haben.