Bundesverfassungsgericht

Atom-Ausstieg leider völlig verstrahlt

Richter fordern schleunigst Rechtsänderung zugunsten der Energiekonzerne

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Das stillgelegte Vattenfall Atomkraftwerk Brunsbüttel ist seit 2017 frei von radioaktiven Brennelementen und wird nach und nach abgerissen.  
Das stillgelegte Vattenfall Atomkraftwerk Brunsbüttel ist seit 2017 frei von radioaktiven Brennelementen und wird nach und nach abgerissen. Foto: Imago images/Jannis Große

Karlsruhe -  Das Bundesverfassungsgericht hat Regierung und Bundestag einen Atomunfall bescheinigt: Es verpflichtet sie dazu, „alsbald“ das Gesetz zum Ausstieg aus der Atomenergie neu zu formulieren, weil seine Regelungen für die Energiekonzerne wie Vattenfall, E.ON und RWE unzumutbar seien. Das könnte den Unternehmen mehr Geld verschaffen. Geklagt hatte der schwedische Staatskonzern Vattenfall.

2001 hatte Deutschland mit den Betreibern der Atomkraftwerke (AKW) vereinbart, wie viel Strom die AKW noch produzieren dürfen. 2002 wurde das gesetzlich geregelt. 2011, wenige Monate nach der Katastrophe im japanischen AKW Fukushima, wurde dann aber festgelegt, dass acht der 17 deutschen Meiler sofort, die übrigen neun schrittweise bis Ende 2022 abgeschaltet werden müssen.

Dafür sollen die Betreiber eine „angemessene“ Entschädigung für den Strom erhalten, den sie deshalb nicht mehr in ihren AKW produzieren und verkaufen können. Wie viel das sein wird, kann erst 2023 festgestellt werden, die Rede ist von einem Betrag knapp unter einer Milliarde Euro.

Schon 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht erklärt, der Gesetzgeber müsse bis 2018 eine Neuregelung schaffen, weil die Betreiber bei der beschlossenen Gesetzeslage keine „angemessene“ Entschädigung zu erwarten hätten. Das aber verletze das im Grundgesetz festgelegte Recht auf Eigentum und dessen Nutzung.

Geändertes Atomgesetz trat nie in Kraft

2018 wurde das Atomgesetz (AtG) deshalb geändert. Diese 16. Neufassung des AtG („Novelle“) sei aber formal nie in Kraft getreten: Die EU hätte die Entschädigungen, die als Beihilfen gewertet werden, entweder genehmigen oder erklären müssen, dass eine solche Genehmigung nicht erforderlich sei. Beides ist nicht erfolgt.

Außerdem sei es für die Unternehmen unzumutbar, dass sie nicht wissen können, unter welchen Bedingungen sie die ihnen zugebilligten Strommengen, die sie in einem nach dem Ausstiegsplan vor Ende 2022 abgeschalteten AKW aber nicht mehr herstellen können, auf ein anderes übertragen können.

Bei Vattenfall geht es um die 2011 vom Netz genommenen AKW Krümmel und Brunsbüttel an der Elbe oberhalb und unterhalb Hamburgs, deren Strommengen der Konzern mit seinen verbliebenen Wasser-, Gas- und Kohle-Kraftwerken sowie Windkraftanlagen nicht liefern kann.

Seit 2012 ist noch ein Schiedsverfahren beim Schiedsgericht der Weltbank anhängig: Vattenfall fordert eine Milliarden-Entschädigung wegen der dauerhaften Stilllegung von Krümmel und Brunsbüttel.