Der Astrazeneca-Impfstoff ist für alle Altersstufen freigegeben, doch einiges ist zu beachten.
Der Astrazeneca-Impfstoff ist für alle Altersstufen freigegeben, doch einiges ist zu beachten. AP/Matthias Schrader

Auf einmal geht es schnell: Nach monatelanger Bevorzugung bestimmter Risikogruppen wird der Impfstoff von Astrazeneca für jedermann freigegeben. Mehrere Entscheidungen liegen jetzt beim Einzelnen und den Hausärzten.

In der kommenden Woche, so kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag an, soll eine Million Dosen des Vektorimpfstoffs an die Arztpraxen geliefert werden, die dann ohne Priorisierung vergeben werden.

Was man jetzt bedenken sollte, wenn man die Wahrnehmung des Impfangebots in Betracht zieht:

Nebenwirkungen bei Jüngeren

Beim Einsatz des Mittels bei Jüngeren unter 60 Jahren traten seltene, aber schwere und teils tödliche Nebenwirkungen nach der Impfung zutage: bestimmte, ungewöhnliche Blutgerinnsel in Kombination mit einer reduzierten Zahl von Blutplättchen.

In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) aktuell den Einsatz für Menschen ab 60 Jahren. Auch für Jüngere ist die Impfung mit dem Präparat möglich, „nach ärztlicher Aufklärung und bei individueller Risikoakzeptanz durch den Patienten“, wie es die Stiko ausdrückt.

Die Häufigkeit der speziellen Blutgerinnsel wird mit weniger als 0,01 Prozent bei den Geimpften unter 60 angegeben. Experten berichten, dass klassische Risikofaktoren wie die Einnahme der Pille offenbar keine Rolle bei der Komplikation spielen.

Alarmsignale für die seltenen Komplikationen sind bekannt: Bei starken anhaltenden Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Beinschwellungen, anhaltenden Bauchschmerzen, neurologischen Symptomen oder punktförmigen Hautblutungen sollen sich Geimpfte umgehend ärztliche Hilfe holen. Es geht vorrangig um die Zeit von zwei bis drei Wochen nach der Impfung.

Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, erklärte: „Das Risiko der speziellen Thrombosen als Nebenwirkung ist sehr gering. Dagegen ist das Risiko einer schweren Komplikation durch Covid-19 für viele Personen sehr viel höher. Lediglich bei den unter 30-Jährigen würde ich zur Verwendung eines mRNA-Impfstoffes raten.“

Kürzerer Impfabstand senkt Wirksamkeit

Die Stiko empfiehlt für Vaxzevria zwölf Wochen zwischen erster und zweiter Dosis. Wie Spahn ankündigte, kann der Abstand nun aber nach Absprache zwischen Arzt und Impfling auf bis zu vier Wochen verkürzt werden. Das ist im Rahmen der Zulassung auch gedeckt.

Alle aktuellen News aus Politik & Wirtschaft finden Sie hier.

Viele wollten sich augenscheinlich nun nicht mit Astrazeneca impfen lassen, da sie nach zwölf Wochen erst im August den vollen Impfschutz bekämen, sagte Spahn am Freitag auch mit Blick auf die Urlaubszeit und Lockerungen für vollständig Geimpfte. Da auch die Erstimpfung schon schütze, gebe es aber in dieser Phase der Pandemie das Interesse, dass viele Menschen sich impfen lassen.

„Studien haben klar gezeigt, dass die Effektivität bei einem Abstand von weniger als sechs Wochen nur 55 Prozent beträgt und erst bei einem Abstand von zwölf Wochen bei über 80 Prozent liegt!“, betonte hingegen Experte Watzl.

Man müsse den Menschen klar sagen: „Wenn Sie Ihren Impfabstand bei Astrazeneca verkürzen, um damit schneller in den Genuss von Lockerungen zu kommen, machen Sie das auf Kosten Ihres Immunschutzes!“ Die Prozentangaben beziehen sich auf die Verringerung der Zahl der Erkrankungen unter Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften in Studien.

Auch die Bundesärztekammer warnt davor, das Intervall zwischen den Astrazeneca-Impfungen zu verkürzen, um früher als geimpft zu gelten. Die Verkürzung des Intervalls müsse überdacht werden, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„Wenn das Argument ist, dass damit die Menschen früher von Lockerungen profitieren können, halte ich das für bedenklich“, betonte er.

Ebenso kritisch sieht SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach den Vorstoß von Spahn.

Kritik kam auch von Stiko-Mitglied Christian Bogdan. Das Gremium hatte sich bereits am Donnerstag für das Festhalten an der Priorisierung ausgesprochen. Begründet wurde dies mit noch recht hohen Anteilen an Ungeimpften auch bei Älteren und Vorerkrankten.

Bogdan teilte mit, mit der neuen Regelung würden nun vor allem Menschen erreicht, die möglichst schnell den Status des vollständig Geimpften erlangen wollten. „Dies werden mehrheitlich vor allem junge Menschen sein, die an Covid-19 aber nur äußert selten schwer oder gar tödlich erkranken.“

Ein Vorteil der vorgezogen Zweitimpfung könnte Experten zufolge jedoch sein, dass bei einem verkürzten Abstand weniger Menschen ihre Zweitimpfung ausfallen lassen – zum Beispiel, weil sie an ihrem Termin im Urlaub weilen.