„Dramatische Konjunkturlage“ – Arbeitgeber-Chef warnt Scholz vor Bruchlandung: Unternehmen geht die Puste aus!
Unternehmerverband verlangt Unterstützung angesichts hoher Energiepreise

Beim „Arbeitgebertag“ im Flughafengebäude Tempelhof ging am Dienstag die Angst vor einer wirtschaftlichen Bruchlandung um. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versuchte, Optimismus zu verbreiten.
Schon im Vorfeld hatte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger wegen hohen Inflation (7,9 Prozent) und steigender Energiepreise schnelle Hilfe vom Staat für Unternehmen und Beschäftigte gefordert. „Wir brauchen die Hilfe des Staates, die brauchen wir an einigen Stellen, die muss gezielt sein, und sie muss schnell sein“. Es müssten Entlastungen für die Beschäftigten und für Betriebe her, damit Energie bezahlbar bleibe.
Arbeitgeber und Gewerkschaften könnten die Probleme durch die rasant steigende Inflation allein nicht lösen, meinte Dulger. Den Beschäftigten müsse „mehr Netto vom Brutto“ in Aussicht gestellt und das dann auch umgesetzt werden. Zugleich müsse der Mittelstand geschützt werden. „Der Staat muss hier jetzt handeln, und er muss schnell handeln, weil - es sind viele im Moment dabei, (...) denen auch die Puste ausgeht.“
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Forderung nach veränderter Preisgestaltung für Energie
Der Staat muss sich aus Sicht des Arbeitgeber-Präsidenten darauf konzentrieren, die Ursachen zu bekämpfen, und nicht die Symptome zu lindern. Die Ursache seien die Energiepreise. Angesichts überzogener Preise seien eine Veränderung des „Energiepreis-Entstehungssystems“ und eine vernünftige Preisfindung nötig, forderte Dulger.

Gleichzeitig wandte sich Dulger gegen das geplante Bürgergeld, das höher ausfallen soll als Hartz IV. „Es ist kein Zeichen von Fairness und Respekt gegenüber den arbeitenden Menschen.“ Das Bürgergeld bilde keine Brücke in Arbeit, sondern ins Sozialsystem.
Arbeitgeberpräsident vergleicht die Lage mit der Titanic
Er wies auf die „dramatische Konjunkturlage“ infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und die „heftigen Lieferengpässe“ hin. Der Bundesregierung warf Dulger vor, mit ihrem Kurs bei der Atomkraft die Energieversorgung aufs Spiel zu setzen. „Es fühlt sich so an, wie wenn auf der Titanic alle Rettungsboote über Bord geworfen werden, die Musikkapelle spielt im Speisesaal weiter, und man verlässt sich darauf, dass vielleicht doch nicht so viel Wasser eindringt.“
Kanzler Scholz machte teilweise Mut: Man arbeite an einer Senkung des Gaspreises, die Stromversorgung im Winter sei gesichert. „Wir werden dafür Sorge tragen, dass es möglich ist, dass die süddeutschen Atomkraftwerke im Januar und Februar und März noch laufen können, damit es auf keinen Fall zu einem Engpass im deutschen Strommarkt kommt.“
Außerdem ginge der Bau von Terminals voran, an denen Schiffe Flüssiggas entladen können. Die ersten würden im Januar in Betrieb gehen, Ende 2023 dann alle vier in Wilhelmshaven, Stade, Brunsbüttel und Lubmin. Dann sei Deutschland „in der Lage, all das Gas, was wir brauchen, zu importieren – unabhängig von Russland.“
Bundeskanzler Olaf Scholz: Wir arbeiten an der Ausweitung von Fördermöglichkeiten
Zugleich stellte Scholz mehr Hilfen für Unternehmen in Aussicht. „Wir arbeiten jetzt (…) mit Hochdruck daran, dass wir die bestehenden Fördermöglichkeiten ausweiten. Es ist eine Gemeinschaftsanstrengung, diese Zeit zu überstehen, und wir werden das auch gemeinsam tun.“
Bei einem digital abgehaltenen Treffen mit Vertretern von 40 Mittelstandsverbänden erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), er strebe an, dass energieintensive Unternehmen so schnell wie möglich neue Zuschüsse für ihre Gas- und Stromkosten erhalten. „Nun kommt es aber entscheidend darauf an, wie schnell wir uns in der Bundesregierung einigen und die Umsetzung schnell auf den Weg bringen können.“ Vor allem will Habeck Förderinstrumente so öffnen, dass auch das Handwerk profitiert.
Zuvor hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vom Bund gefordert, einen Notstand auszurufen, damit das Bundesland Kredite für ein Hilfspaket für Firmen aufnehmen kann, die unter hohen Energiepreisen ächzen. Es soll über 100 Millionen Euro umfassen. Er warte schon seit Wochen auf entsprechende Entscheidungen aus Berlin. „Wenn das Kind im Brunnen liegt, ist es zu spät.“