Anschlag auf Russen-Blogger: Will Putin Kritiker zum Schweigen bringen?
Der Militärblogger Wladlen Tatarski wurde am Sonntag bei einem Attentat in St. Petersburg getötet. Der Kreml beschuldigt die Ukraine. Doch Tatarski hatte zuvor auch offen Kritik an Putin geäußert.

Der russische Militärblogger Wladlen Tatarski ist am Sonntag nach Behördenangaben bei einer Explosion in einem Café in St. Petersburg getötet worden. Die Bombe war am Sonntag kurz nach 18 Uhr explodiert. Es sollen zudem 25 Personen verletzt worden sein.
Die russische Nachrichtenagentur Tass zitierte eine Quelle aus den Strafverfolgungsbehörden, nach deren Angaben die Explosion durch einen selbstgebauten Sprengsatz ausgelöst wurde. Dieser habe sich in einer Figur befunden, die dem Militärblogger als Geschenk von einer jungen Frau überreicht worden sei.
Junge Frau als Verdächtige festgenommen
„Sie hat es ihm gegeben“, und später „gab es plötzlich eine Explosion“, sagte Augenzeugin Alissa Smotrowa der Nachrichtenagentur AFP. Es habe „Blut und Glasscherben“ gegeben.
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Am Montag nun meldeten die russischen Behörden die Festnahme einer Verdächtigen. Darja Trepova (26) soll an dem Anschlag beteiligt gewesen sein und Tatarski auch die Figur als Geschenk überreicht haben. Laut Berichten russischer Medien soll sie bei ihrer Festnahme gerufen haben: „Ich wurde reingelegt! Ich wurde benutzt!“.
Mittlerweile veröffentlichten die russischen Behörden ein Video mit der Festgenommenen. Darin gibt sie an, die Figur an Tatarski übergeben zu haben. Als sie nach den Gründen gefragt wird, sagt sie nur, dass sie diese „später“ erklären wolle. Sie soll jedoch gewusst haben, dass eine Bombe in der Figur steckte und habe deshalb das Angebot, neben dem Blogger zu sitzen, abgelehnt.
Russische Behörden machen Ukraine und Nawalny für Anschlag auf Blogger verantwortlich
Unterdessen ist das Rätselraten um den Mordanschlag auf den Russen-Blogger in vollen Gange. Blogger wie Tatarski seien „Verteidiger der Wahrheit“, erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, nach der tödlichen Explosion im Onlinedienst Telegram. Tatarski sei für die Ukraine „gefährlich“ gewesen und „in Erfüllung seiner Pflicht“ gestorben. Sie machte die Ukraine für den Mordanschlag verantwortlich.
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Der russische Geheimdienst FSB beschuldigte unterdessen Unterstützer der Anti-Korruptions-Stiftung des Oppositionsführers Alexej Nawalny für den Anschlag. Sie hätten mit ukrainischen Spezialkräften zusammengearbeitet.
Zum Ukraine-Hasser mutiert
Der 40-jährige Blogger Wladlen Tatarski, mit bürgerlichem Namen Maxim Fomin, stammte aus der Region Donezk in der Ostukraine. Einst handelte er mit Möbeln, ging dann jedoch pleite und überfiel sogar eine Bank. Durch den russisch-kontrollierten Angriff im Donbas kam er jedoch aus dem Gefängnis frei.
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Er schloss sich den russischen Kämpfern im Donbas an. Ab 2019 wandelte er sich jedoch zum Propaganda-Blogger und berichtete über den Krieg im Donbas und später über den großflächigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Mehr als eine halbe Million Menschen haben seinen Kanal bei Telegram abonniert.

Seine Anhängerschaft auf Telegram baute er seit Beginn der russischen Militäroffensive in der Ukraine insbesondere durch Videos mit Lage-Einschätzungen vor Ort und Ratschlägen für die Soldaten aus.
Kritik am Kreml wegen militärischer Fehlschläge
In seinem Telegram-Kanal übte Tatarski hingegen auch direkte Kritik an der russischen Militärführung, dem Verteidigungsministerium und sogar an Diktator Wladimir Putin. In Russland wird die Kritik am Kreml seit dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine jedoch noch stärker unterdrückt als zuvor.
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Mehrfach sprach Tatarski jedoch auch davon, alle Ukrainer vernichten zu wollen und drückte seinen Hass auf das Land aus. In einer ersten Reaktion erklärte der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak auf Twitter, es sei „eine Frage der Zeit“, wann „der inländische Terrorismus ein Instrument des innenpolitischen Kampfes“ werde. „Die Spinnen im Glas fressen sich gegenseitig.“
Wagner-Chef Prigoschin vermutet „radikale Gruppen“ hinter Anschlag
Auch der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, sieht nicht die Ukrainer als Verantwortliche. „Ich würde nicht dem Regime in Kiew die Schuld geben an diesen Handlungen“, sagte Prigoschin am Montag.
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Prigoschin hatte sich betroffen gezeigt über das Attentat in dem Café in St. Petersburg, dass er der nationalistischen Bewegung Cyber Front Z für Kriegspropaganda im Internet überlassen hatte. Wie über die als Wagner-Leaks veröffentlichten Dokumente bekannt ist, stand der Blogger Tatarski zumindest zeitweise auf der Gehaltsliste von Prigoschin.
Über die Täter hinter dem Anschlag sagte der Wagner-Chef: „Ich denke, dass eine radikale Gruppe agiert, die kaum eine Beziehung zur Regierung (in Kiew) haben dürfte“.
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Prigoschin selbst übt häufig Kritik am Verteidigungsministerium und der schlechten Versorgung seiner Wagner-Truppen mit Munition. Russland-Experten, wie das Institute for the Study of War, halten es daher möglich, dass der Mord an Tatarski ein Warnschuss in Richtung Prigoschin und anderer Kritiker sein könnte, damit dieser sich mit seiner Kritik in Zukunft zurückhält.
Parallelen zu Mord an Ultranationalistin Darja Dugina
Die russischen Behörden haben sich bisher nicht zu den Hintergründen geäußert.
Prigoschin erinnerte auch an den Tod der Propagandistin Darja Dugina, die im vergangenen Jahr bei einer Autoexplosion in der Nähe von Moskau ums Leben gekommen war. Der Mord an Tatarski sei damit vergleichbar.
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Die Tochter des ultranationalistischen Ideologen Alexander Dugin war wie Tatarski eine glühende Befürworterin des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Mit Material von AFP und dpa