Annalena Baerbock soll das Kanzleramt für die Grünen erobern
Die Potsdamerin (40) wird Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl, Robert Habeck (51) steckt zurück

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock (40) soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl am 26. September führen. Der Bundesvorstand der Grünen nominierte die Potsdamerin und nicht ihren Co-Vorsitzenden Robert Habeck (51) für den Spitzenposten. Die Entscheidung muss noch auf einem Parteitag vom 11. bis 13. Juni bestätigt werden. Die Zustimmung gilt als sicher.
Baerbock sagte in einer ersten Stellungnahme: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Land einen Neuanfang braucht.“ Sie wolle eine Politik anbieten, die vorausschaue. Wenig überraschend, dass sie darunter beispielsweise eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes versteht, einen kompletten Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030, einen ökologischen Umbau der deutschen Wirtschaft. Sie verlangt gleichzeitig ein deutlicheres außenpolitisches Auftreten der EU, um Russland und China als autoritären Staaten nicht das Feld zu überlassen.
Mit der Entscheidung enden monatelange Spekulationen. Die Partei hatte die Klärung der Kandidatenfrage ihren beiden Parteivorsitzenden überlassen, die sich nach außen hin geräuschlos untereinander verständigten. Habeck gestand jedoch zu, dass es teilweise schwierige Gespräche gewesen seien, die sie geführt hätten. Denn: „Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen. In dieser Situation führt der gemeinsame Erfolg dazu, dass einer einen Schritt zurücktreten muss.“
Habeck sagte, Baerbock sei eine „kämpferische, fokussierte, willensstarke Frau“. Sie wisse genau, was sie wolle, und er werde für sie Wahlkampf machen.
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Die Grünen hatten sich angesichts der seit 2018 hohen Umfragewerte erstmals für eine Kanzlerkandidatur entschieden. Derzeit liegen sie in den Umfragen mit mehr als 20 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU/CSU und vor der SPD. Sollte das so bleiben, könnte die Wahl-Arithmetik eine schwarz-grüne Koalition erzwingen.
So sieht das auch der CSU-Chef Markus Söder, der immer noch Chancen hat, ihr Gegner zu werden: „Es wird genau um den Platz eins gehen zwischen Schwarz und Grün, Grün und Schwarz.“ Er gratulierte Baerbock zu ihrer Nominierung als Kanzlerkandidatin. „Das wird sicher ein ganz spannender Wahlkampf werden“, sagte er. „Natürlich haben die Grünen in der Umweltpolitik frische und gute Ideen“, in der Wirtschafts- und Sozialpolitik gebe es dagegen Defizite. Das hört sich fast charmant an.
Schnelle Karriere bei den Grünen
Baerbock, die 2005 den Grünen beigetreten war, wird bei der Wahl gegen zwei Männer antreten: Die SPD hat Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz nominiert, die Union muss sich noch zwischen den Vorsitzenden von CDU und CSU entscheiden, Armin Laschet und Markus Söder.
Baerbock wuchs in der Nähe von Hannover auf dem Dorf auf und studierte Politikwissenschaften und Völkerrecht in Deutschland und London. Bei den Grünen hat die mit einem DHL-Manager verheiratete Mutter von zwei Töchtern schnell Karriere gemacht: 2009 zog sie in den Vorstand der europäischen Grünen ein und wurde Landesvorsitzende in Brandenburg. 2013 wurde sie in den Bundestag gewählt und führt die Bundespartei seit 2018 gemeinsam mit Habeck.
Baerbock ist bei der 20. Bundestagswahl seit 1949 die zweite Frau nach Angela Merkel, die sich um das höchste Regierungsamt bewirbt. Keiner der bisherigen Kanzlerkandidaten war jünger. Bisher haben mit einer Ausnahme nur CDU/CSU und SPD Kanzlerkandidaten nominiert: 2002 stellte die FDP Guido Westerwelle auf, wurde dann aber mit 7,4 Prozent nur viertstärkste Kraft im Bundestag. Ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl erzielten die Grünen 2009 mit 10,7 Prozent. Bei der Wahl 2017 kamen sie nur auf 8,9 Prozent.