Vor fast einem Jahr stellten FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann und die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus Eckpunkte zum nun fertiggestellten Selbstbestimmungsgesetz vor.
Vor fast einem Jahr stellten FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann und die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus Eckpunkte zum nun fertiggestellten Selbstbestimmungsgesetz vor. imago/Jürgen Heinrich

Wenige Menschen kennen trans Personen persönlich: Sie sind zu sehen in TV-Shows wie „Let's Dance“, GNTM oder dem Dschungelcamp. Jeden Tag tauchen sie als Opfer von Straftaten auf, zusammengeschlagen, bespuckt oder sogar getötet. Und es wird Angst verbreitet davor, dass Sexualstraftäter als trans Frauen in Umkleidekabinen oder Frauensaunen eindringen könnten. 

Anlass für solche wilden Mutmaßungen ist ein neues Gesetz, das das Leben von transgeschlechtlichen Menschen erleichtern soll. Einige rechtskonservative Stimmen wie Julian Reichelt und Jan Fleischhauer wurden nicht müde, davor zu warnen. Doch nach viel Hin und Her gibt es nun tatsächlich einen zwischen dem Bundesfamilien- und Bundesjustizministerium abgestimmten „Referentenentwurf“, der dem Berliner KURIER vorliegt.

Es geht um Selbstbestimmung: „Medizinische Maßnahmen werden in diesem Gesetz nicht geregelt“

Worum geht es? Das „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“ löst das in großen Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz (TSG) ab, das 1981 in Westdeutschland in Kraft trat. Auf dessen Grundlage können trans Personen Geschlechtseintrag und Vornamen gerichtlich ändern lassen, müssen dafür aber Anforderungen erfüllen, die Verfassungsrichter als unvereinbar mit den Grundrechten ansehen. Gutachter fragen sie schamlos über ihre sexuellen Vorlieben und Fantasien aus; das Gesetz erfordert faktisch, eine trans Person für verrückt zu erklären, damit sie später ein normales Leben führen kann. 

Diese irrwitzige Praxis zu beenden ist das Ziel des neuen Selbstbestimmungsgesetzes. Geregelt wird ausdrücklich nicht, was oftmals behauptet wird, ob trans Personen Anspruch auf geschlechtsangleichende Operationen gewährt wird: „Medizinische Maßnahmen werden in diesem Gesetz nicht geregelt“, heißt es wortwörtlich im Gesetzestext.

Selbstbestimmungsgesetz: zukünftig keine Gutachten zur Vornamen-Änderung erforderlich

Dafür können sie aber ohne Vorlage eines psychologischen Gutachtens, das von fast allen Sachverständigen als sinnlos aufgefasst wird, beim Standesamt ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern. Die Person muss per Erklärung unter anderem versichern, „dass ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist“. Bei Minderjährigen ist grundsätzlich die Zustimmung der Eltern, eines gesetzlichen Vertreters notwendig. Im Streitfall wird Jugendlichen ab dem 14. Lebensjahr allerdings auch das Recht zugebilligt, ein Familiengericht entscheiden zu lassen, „wenn die Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht“.

Auf Drängen von Kritikern wurde in den ursprünglichen Entwurf ein Passus aufgenommen, dass diese Änderung erst nach einer Frist von drei Monaten in Kraft treten soll, innerhalb der eine Person ihre Entscheidung wieder zurücknehmen könnte. Sollte die Person innerhalb eines Jahres zum Entschluss kommen, dass die Entscheidung falsch gewesen sei, kann sie wieder rückgängig gemacht werden.  Rechtskonservative Stimmen unter anderem aus CDU und AfD hatten die Möglichkeit in den Raum geworfen, verwirrte Menschen könnten so ihre Geschlechtsidentität Jahr für Jahr wechseln. Bundesjustizminister Marco Buschmann nimmt in Kauf, dass es möglicherweise eine Handvoll Leute geben könnte, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen könnten.

Tatsächlich nimmt dieser Passus Bezug auf die Situation von einer sehr geringen Anzahl von trans Personen (1-2 Prozent), die während einer Transition aus den unterschiedlichsten Gründen spüren, dass ihr Leben anders verläuft, als sie sich das vorgestellt haben. Eine solche sogenannte Detransition ist allerdings oftmals eine Folge von Diskriminierung: Mitunter leiden trans Personen unter herabwürdigenden Sprüchen und Gewalt, erhoffen sich durch eine Detransition weniger Leiden. 

Umstrittene Formulierungen im Selbstbestimmungsgesetz zu Hausrecht, Frauensaunen, Sportwettbewerben

Extrem umstritten ist die Aufnahme von vagen Formulierungen, die über das „Hausrecht... den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen“ beschränken könnten. Nicht im Gesetzestext, aber im Vorspann dazu wird ausdrücklich „der Zugang zu Saunen oder Fitnessstudios für Frauen oder zu Umkleidekabinen“ genannt. Sollte ein Hausrecht ausdrücklich trans Personen diesen Zugang verwehren, würde dies allerdings mit dem Allgemeinen Gleichbehandungsgesetz kollidieren. Eine weitere Formulierung wirft Fragen auf: „Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden.“ Weil diese Regelung so unklar formuliert wurde, ist unklar, ob sie gegebenenfalls etwa den Ausschluss von trans Frauen aus Frauensport-Wettbewerben ermöglichen würde.

Eindeutig ist das Gesetz jedoch in einem Punkt: Ohne ein öffentliches Interesse darf die frühere Geschlechtszugehörigkeit einer trans Person „nicht offenbart oder ausgeforscht werden“. Wer also beispielsweise alte Fotos einer trans Frau aus Archiven kramt, sie zur Verächtlichmachung veröffentlicht, die Person dann wiederholt öffentlich mit dem abgelegten Vornamen in Verbindung bringt, riskiert ein saftiges Ordnungsgeld: eine „Geldbuße bis zu zehntausend Euro“.

Der Entwurf wird in den kommenden Tagen mit den weiteren Ministerien abgestimmt, es werden Verbände angehört und soweit keine Einwände erhoben werden, wird er dann veröffentlicht und könnte noch vor der Sommerpause im Parlament zur Debatte gestellt werden.