Streikende Fernfahrer auf der Raststätte Gräfenhausen-West: Sie wurden lange nicht bezahlt.
Streikende Fernfahrer auf der Raststätte Gräfenhausen-West: Sie wurden lange nicht bezahlt. Sebastian Gollnow/dpa

Vergnatzte Einzelhändler, empörte Industriemanager: Die seit Corona allgemein bekannten „Lieferketten“ sind instabil, Ware kommt nicht pünktlich, weil schätzungsweise 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer in Deutschland fehlen. Die Ampel-Koalition will dem Fachkräftemangel bei Lkw-Fahrern entgegenwirken und zugleich Dumpingpreise im Transportgewerbe bekämpfen. Das geht aus dem Entwurf eines Papiers hervor, das der dpa vorlag.

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Im Entwurf des Antrags heißt es weiter, um dem Fahrermangel entgegenzuwirken, müssten Arbeits- und Wettbewerbsbedingungen, Aus- und Weiterbildung, wirksame Kontrollen, Digitalisierungsfolgen und auch Zuwanderungsbedingungen für das Berufsfeld „weiterentwickelt“ werden.

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Hoffnung auf ausländische Fahrer für Lastwagen in Deutschland

Im Entwurf heißt es konkret, es solle geprüft werden, wie ausländische Führerscheine vereinfacht anerkannt werden können, und ob die Visaerteilung für Fahrpersonal aus Nicht-EU-Staaten erleichtert werden könnte. Dann könnten sie in Deutschland arbeiten.

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„In Teilen des Transportgewerbes herrschen katastrophale Bedingungen“, sagte der SPD-Politiker Udo Schiefner,  Vorsitzender des Bundestags-Verkehrsausschusses. „Auch namhafte deutsche Unternehmen beauftragen Speditionen zu Dumpingpreisen und verschließen die Augen davor, dass solche Angebote bei fairer Bezahlung und Einhaltung aller Regeln nicht möglich wären.“

Wie es um die Situation der Fahrer bestellt ist, zeigt sich exemplarisch auf der hessischen Autobahn-Raststätte Gräfenhausen-West. Rund 60 Lkw-Fahrer vorwiegend aus Georgien und Usbekistan sind dort seit Wochen im Streik, weil die polnische Speditionsgruppe, für die sie fahren, nicht oder mittlerweile nur kleckerweise zahlt. 

Ein Polizist kontrolliert am Karfreitag einen Mitarbeiter eines polnischen Sicherheitsunternehmens. Das war mit dem gepanzerte Wagen angerückt, sollte im Auftrag des polnischen Spediteurs die streikenden Lkw-Fahrer von ihren Fahrzeugen auf der Raststätte Gräfenhausen-West vertreiben.
Ein Polizist kontrolliert am Karfreitag einen Mitarbeiter eines polnischen Sicherheitsunternehmens. Das war mit dem gepanzerte Wagen angerückt, sollte im Auftrag des polnischen Spediteurs die streikenden Lkw-Fahrer von ihren Fahrzeugen auf der Raststätte Gräfenhausen-West vertreiben. Sebastian Gollnow/dpa

Polizei musste Gewalt gegen streikende Lkw-Fahrer verhindern

Am Karfreitag musste die Polizei anrücken, weil der Unternehmer Lukasz Mazur mit einer Truppe einer polnischen Sicherheitsfirma anrückte – samt einem gepanzerten Fahrzeug. Sie wollten die Fahrer vertreiben und die Lkw übernehmen. Mazur und Leute der Sicherheitsfirma wurden festgenommen.

Mit dem Antrag der Ampel-Parteien solle die Bundesregierung außerdem aufgefordert werden, wettbewerbsverzerrende und unfaire Arbeitsbedingungen in der Transportlogistik besser zu bekämpfen. 

Der Bund und bundeseigene Unternehmen müssten mit gutem Beispiel vorangehen und für Transportleistungen nur Unternehmen beauftragen, die Tariftreue nachweisen.

Die Koalition will dem Fachkräftemangel bei Lkw-Fahrern entgegenwirken und zugleich Dumpingpreise im Transportgewerbe bekämpfen.       (Archivbild)
Die Koalition will dem Fachkräftemangel bei Lkw-Fahrern entgegenwirken und zugleich Dumpingpreise im Transportgewerbe bekämpfen. (Archivbild) Philipp von Ditfurth/dpa

Offenbar Mängel bei der Überwachung ausländischer Spediteure in Deutschland

Das Mindestlohngesetz müsse im grenzüberschreitenden Verkehr und im sogenannten Kabotageverkehr für inländische und gebietsfremde Unternehmer noch wirksamer kontrolliert werden, forderte Schiefner. 

Kabotage bedeutet grob gesagt, dass ein ausländisches Fuhrunternehmen innerhalb Deutschland in beschränktem Umfang  Waren transportieren darf, was in der EU „kleine Kabotage“ heißt. Um „große Kabotage“ handelt es sich in der EU-Sprachregelung, wenn beispielsweise eine polnische Firma Transporte zwischen Deutschland und Frankreich abwickelt.  Wer gegen Kabotageregeln verstößt, muss in einigen EU-Ländern mit empfindlichen Strafen rechnen.

In Deutschland offenbar nicht. Udo Schiefner: „Wir brauchen mehr Kompetenzen für Überwachungsbehörden und mehr Kontrollpersonal. Die Ergebnisse digitaler Kontrollen müssen effektiver genutzt und Bußgelder empfindlich angehoben werden, damit der wirtschaftliche Vorteil, bestehende Regelungen zu umgehen, erkennbar abnimmt.“