Neue Runde vor Gericht

VW contra Zulieferer: Millionenstreit und eine Leiche

Unternehmensgruppe Prevent könnte Wucherpreise verlangt, VW dagegen unrechtmäßig Verträge gekündigt haben

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Der deutsche Ableger des Zulieferers Prevent siedelte sich in Wolfsburg an, dicht beim Hauptabnehmer VW.
Der deutsche Ableger des Zulieferers Prevent siedelte sich in Wolfsburg an, dicht beim Hauptabnehmer VW.
Foto: imago images/regios24

In der Welt der Krawatten und Anzüge geht es rauer zu als im Boxring: Heute beginnt eine neue Runde zwischen zwei innig verfeindeten Ex-Partnern - Volkswagen gegen den Zulieferer Prevent. Das Landgericht Braunschweig soll prüfen, ob beim Abbruch der Geschäftsbeziehungen durch den Autokonzern und den als überzogen kritisierten Preisen des Zulieferers alles mit rechten Dingen zuging. Es geht um Millionensummen.

Der Konflikt mit der aus dem bosnischen Sarajevo kontrollierten Zuliefergruppe war im August 2016 eskaliert, als zwei Prevent-Firmen die Belieferung mit Getriebegehäusen und Sitzbezügen aussetzten. Sechs VW-Werke wurden damit zwischenzeitlich lahmgelegt. In der Folge überzogen sich beide Seiten mit Vorwürfen. Mittelbar forderte der Streit schon ein Todesopfer: Ein VW-Manager, der interne Gespräche und Verhandlungen mit Prevent-Vertretern heimlich mitgeschnitten hatte, brachte sich vermutlich um – er verbrannte im August 2020 in seinem Auto.

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Nach Darstellung von Prevent hatte Volkswagen den Lieferstopp mit einseitig verschlechterten Vertragskonditionen heraufbeschworen. Die Wolfsburger beschuldigten den Lieferanten ihrerseits, Vereinbarungen gebrochen und in erpresserischer Absicht die Preise erhöht zu haben.

2016 stand die Produktion von VW in Wolfsburg still – Autos ohne Sitze oder Getriebe kann man nicht verkaufen ...
2016 stand die Produktion von VW in Wolfsburg still – Autos ohne Sitze oder Getriebe kann man nicht verkaufen ...
Foto: imago images/photothek/Michael Gottschalk

Im März 2018 kündigte VW die Verträge. Prevent bestand auf einer Fortsetzung - und geriet wegen der fehlenden Abnahme von Teilen durch VW unter Druck. Zuvor hatte sich die Tonlage wegen der Preisforderungen eines inzwischen auch zu Prevent zählenden Gießerei verschärft, die Motorteile und -blöcke lieferte und die Preise auf das bis zu Achtfache erhöhte.

Das Oberlandesgericht des Saarlands, wo die Gießerei saß, hat kürzlich entschieden, dass es für diese Erhöhung keine Vertragsgrundlage gab. Prevent erklärte, man habe die Preise anheben müssen. Denn VW habe nach der Übernahme der Gießerei durch Prevent sehr viel weniger bestellt, aber schnellere Lieferungen verlangt.

VW gestand zwar zu, dass es keine langfristigen Vereinbarungen fester Preise und Mengen gab –  aber andere Verträge, die eine flexible Lieferung auf Abruf und „bedarfsorientierte Versorgung“ sichern sollten. „Diese Verträge hat Prevent nicht eingehalten.“ Wegen des Wuchers sei VW dann zu deren Kündigung gezwungen gewesen. 

Wucher oder notwendige Preiserhöhung?

Die Richter in Braunschweig hatten in einem früheren Eilbeschluss schon durchblicken lassen, dass die Zuwächse als Wucher eingestuft werden könnten. Genauer soll dies in einem Hauptsache-Verfahren beleuchtet werden.

46 Millionen Euro aus dem späteren Weiterverkauf der Gießerei an eine andere Firma waren Anfang 2019 eingefroren worden, damit VW hieraus mögliche Rückforderungen stellen kann. Zu dem Termin heute verlangt der Konzern das Geld jetzt als Schadenersatz für überhöhte Preise. Hinzu kommen Ansprüche aus weiteren VW-Werken, insgesamt geht es um rund 66 Millionen Euro.

Der Streit beschäftigt auch Gerichte und Ermittler in anderen Ländern. In den USA reichte Prevent eine Klageschrift in Detroit ein. Dabei wird VW, einem Manager und zwei Sitzherstellern wettbewerbswidriges Verhalten vorgeworfen. Sie sollen versucht haben, Prevent vom Markt der Sitzbezüge für Autos auszuschließen. 

Vor Weihnachten hatte Prevent vor dem Oberlandesgericht Celle einen juristischen Etappensieg verbucht: Die VW-Tochter Skoda muss dem Ex-Lieferanten nach der Aufkündigung eines Vertrags Schadenersatz zahlen.