Verkürzte Öffnungszeiten wegen Energiekrise: Müssen Supermärkte und Discounter jetzt per Gesetz früher schließen?
Discounter Aldi schreitet voran, macht Filialen früher zu. Welche Kette ist die nächste?

Nach dem Vorstoß von Aldi Nord herrscht in der Einzelhandelsbranche viel Unruhe: Der Discounter hatte angekündigt, in diesem Winter die Öffnungszeiten in rund 70 Prozent der gut 2200 deutschen Filialen zu verkürzen. „Mit den kürzeren Öffnungszeiten in der großen Mehrheit unserer Märkte wollen auch wir einen aktiven Beitrag zum Energiesparen leisten“, teilte der Discounter mit. Statt um 21 oder 22 Uhr soll die Mehrheit der Filialen von November an einheitlich bereits um 20 Uhr schließen.
Ausnahmen soll es allerdings weiterhin geben, so etwa in Einkaufszentren und bei Filialen, wo die Kundenfrequenz zwischen 20 und 21 Uhr besonders hoch ist. Befürchtungen, die Verkürzung der Öffnungszeiten könnte mit Entlassungen von Beschäftigten einhergehen, zerstreute das Unternehmen: Auf die Anzahl der Beschäftigten werde der Schritt keine Auswirkungen haben. Die Regel gelte zunächst für die Winterzeit 2022/23.
Supermarkt-Kette Tegut will generelle Beschränkung der Öffnungszeiten für den Einzelhandel erreichen
Aldi ist allerdings nicht die erste Kette, die mit verkürzten Öffnungszeiten auf die Energiekrise reagiert. Die regionale Supermarkt-Kette Tegut setzt sich gerade für eine generelle Beschränkung der Öffnungszeiten auch von Geschäften der Konkurrenz ein. Der Tegut-Geschäftsführer hat sämtliche 16 Landesregierungen angeschrieben und allgemeine Regeln für eingeschränkte Geschäftszeiten im Einzelhandel gefordert. Eine Antwort steht laut einem Unternehmenssprecher noch aus.
Gegen freiwillige Beschränkungen wehren sich jedoch mehrere Konkurrenten ausdrücklich, allen voran die Rewe-Gruppe: Diese stellt klar, eine Verkürzung der Öffnungszeiten zur Energieeinsparung werde weder bei den Rewe-Supermärkten noch bei der konzerneigenen Discountkette Penny erwogen. „Die damit erzielbare Energieeinsparung wäre marginal“, betonte ein Firmensprecher. Denn mehr als die Hälfte des Energiebedarfs in den Märkten entfalle auf die Kältetechnik und sei unabhängig von den Öffnungszeiten.
Viele Supermarkt-Ketten wollen dem Aldi-Beispiel nicht folgen und lange Öffnungszeiten beibehalten
Auch Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka teilte mit ähnlicher Begründung mit, er sehe derzeit keinen Anlass, seinen Kunden „einen reduzierten Service anzubieten“. Kaufland winkte auf Anfrage ebenfalls ab. „Bei der Festlegung unserer Ladenöffnungszeiten stehen die Erwartungen unserer Kunden im Vordergrund. Dabei kommen die langen Öffnungszeiten insbesondere den Berufstätigen entgegen.“ Der Discounter Lidl werde den Kunden ebenfalls weiterhin während der gewohnten Öffnungszeiten zu Verfügung stehen, hieß es von der Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland und Lidl gehören.
Auch die Bio-Kette Alnatura sieht keinen Grund, die Öffnungszeiten zu verkürzen. Schließlich seien die Märkte aus Nachhaltigkeitsgründen schon immer auf eine bestmögliche Energiebilanz ausgelegt worden. Selbst bei Tegut hieß es trotz des Brandbriefes des Geschäftsführers, dass es noch keine konkreten Pläne für kürzere Öffnungszeiten gebe.
Das Aldi-Nord-Schwesterunternehmen Aldi Süd hielt sich derweil bedeckt, was seine Pläne angeht. Man richte seine Öffnungszeiten nach den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden aus und berücksichtige bei Bedarf gesellschaftspolitische Themenstellungen, hieß es dort auf Anfrage vieldeutig.
Regionale Supermarkt-Kette schloss Filialen bereits um 13 Uhr – aus DIESEM Grund
Die Ironie der Geschichte: Die Supermarktkette Tegut, die den Stein ins Rollen gebracht hatte, hat ihre Öffnungszeiten selbst bislang nicht beschränkt. Laut Unternehmenssprecher Matthias Pusch liege das an dem geringen Marktanteil der Supermarktkette: „Erst wenn alle an einem Strang ziehen und die kürzeren Öffnungszeiten umsetzen, wäre es ein entsprechendes Zeichen und das Einsparpotenzial im relevanten Maße gegeben“, zitiert ihn die Augsburger Allgemeine.
Eine andere Mini-Kette hatte die Öffnungszeiten ihrer 16 Filialen bereits für einige Wochen beschränkt: Hieber’s Frische-Center in Baden-Württemberg hatte sämtliche Geschäfte mittwochs bereits ab 13 Uhr schließen lassen. Anlass waren aber weniger die hohen Energiekosten. Vielmehr richtete sich die Maßnahme an die wegen der Personalnot überlasteten Beschäftigten: „Viele Mitarbeiter sind an der Belastungsgrenze“, zitiert die Lebensmittel-Zeitung den Geschäftsführer Dieter Hieber. Mittlerweile habe sich die Lage aber wieder entspannt.