AFD-Politiker schleust „Querdenken“-Aktivisten in den Bundestag – heftiger Schlagabtausch über Corona-Notbremse
Die Opposition sparte nicht mit Kritik an dem Vorhaben, die Pandemie durch ein striktes Bundesgesetz einzudämmen.

Mitglieder der „Querdenken“-Bewegung sollen nach Angaben der Polizei um die Mittagszeit versucht haben, von der Zuschauertribüne im Bundestag zu filmen. Nach ersten Informationen soll ein Team um den Anwalt Markus Haintz von einem AfD-Abgeordneten eingeschleust worden sein. Bereits im November 2020 waren bei einer Corona-Demonstration Aktivisten aus der „Querdenken“-Bewegung von der AfD in den Bundestag geschleust worden.
Die geplante Corona-Notbremse mit verbindlichen Regeln für den Kampf gegen die dritte Welle der Pandemie in ganz Deutschland hat im Bundestag zu einem heftigen Schlagabtausch geführt. Die Opposition kritisierte am Mittwoch vor der entscheidenden Abstimmung im Plenum unter anderem erhebliche Grundrechtseinschränkungen. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte die Neuregelungen, die zu mehr Verständlichkeit und größerer Unterstützung bei den Bürgern beitragen sollten. Mit den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes soll sich an diesem Donnerstag auch noch der Bundesrat befassen.
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Scholz sagte: „Was wir brauchen, ist Klarheit und Konsequenz.“ Es solle festgelegt werden, dass bei Überschreiten hoher Infektionswerte etwas getan werden müsse, und zwar „überall in Deutschland und immer und in jedem Fall“. Es gehe nicht um einen Dauerzustand, sondern darum, die Pandemie zu überwinden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb für Zustimmung zu den Plänen, die der Reduzierung von Kontakten dienen sollen: „Die Lage ist ernst, sehr ernst.“ Er sagte: „Wenn wir Leid vermeiden können, sollten wir es vermeiden.“ 5000 Menschen lägen derzeit mit Covid-19 auf Intensivstationen: „Tendenz weiter steigend, bei sinkendem Alter der Patienten.“ Zwei Drittel aller Ausbrüche fänden derzeit im privaten Bereich statt.
Woher haben Sie eigentlich diese Zahlen? Würfeln Sie die aus?“
Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali
Die Notbremse soll bundesweit verbindliche Regeln für schärfere Corona-Gegenmaßnahmen festlegen - mit konkreten Vorgaben bei hohen Infektionszahlen. Dazu gehören weitgehende Ausgangsbeschränkungen von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr, Schulschließungen und strengere Bestimmungen für Geschäfte. Gezogen werden soll die Notbremse, wenn in einem Landkreis oder einer Stadt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen an drei Tagen hintereinander über 100 liegt. Fürs Umschalten auf Fernunterricht in Schulen soll ein Wert von 165 gelten. Die Regelungen sollen bis Ende Juni gelten.
Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sagte: „Ja, es geht um Leben und Tod.“ Das Pandemiegeschehen müsse dringend eingedämmt werden. Die Bundesregierung versuche aber, Grundrechte „praktisch im Vorbeigehen“ einzuschränken und ihre Befugnisse auszuweiten. Unverhältnismäßig sei, dass ab einem Inzidenzwert 100 Ausgangssperren kommen sollten, Kinder aber bis zu einem Wert von 165 zur Schule gehen. „Woher haben Sie eigentlich diese Zahlen? Würfeln Sie die aus?“
Die FDP bekräftigte ihre Drohung, gegen Ausgangsbeschränkungen Verfassungsbeschwerde einzulegen. Diese seien „keine geeigneten Maßnahmen“, sagte Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus. „Sie schränken nur in unzulässiger Weise die Grundrechte ein und treiben die Menschen in den privaten Bereich.“ Die Alternativen zur „Bundes-Notbremse“ seien gesteigertes Impfen und Testen sowie eine bessere Aufklärung über Kontaktvermeidung.
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sprach von einem „Angriff auf die Freiheitsrechte, den Föderalismus wie den gesunden Menschenverstand“. Die Regierung habe in der Impfstoffbeschaffung versagt und versuche nun, die Opposition durch moralischen Druck zur Zustimmung zu bewegen. Kritiker würden nicht ernst genommen. „Sie können nicht das halbe Volk zu Querulanten machen“, sagte er mit Verweis auf Menschen, die am Mittwoch in Berlin gegen die Corona-Politik demonstrierten.
Die Grünen forderten dagegen schärfere Regeln gegen die dritte Corona-Welle als nun geplant. „Insgesamt reichen diese Maßnahmen nicht aus, um tatsächlich eine Trendumkehr hinzubekommen“, sagte Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink. Sie warf Union und SPD vor: „Sie handeln zu spät, zu unwirksam.“ Die Grünen wollten sich bei der Abstimmung über den Entwurf enthalten.