Abschiebung: Von vielen gewünscht, aber mit vielen Hindernissen
Mehr als 300.000 Menschen sind ausreisepflichtig, aber weniger als 12.000 wurden 2022 abgeschoben

2022 wurden mit 12.945 mehr Menschen aus Deutschland abgeschoben als im Jahr zuvor, das noch stark durch die Corona-Reisebeschränkungen geprägt war, erklärte das Innenministerium. 2021 hatten 11.982 Menschen Deutschland auf diesem Weg verlassen müssen, die meisten von ihnen wurden in ihre Herkunftsländer gebracht. 2019, vor Beginn der Pandemie, lag diese Zahl mit mehr als 22.000 Abschiebungen deutlich höher.
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Zu den Personen, die 2022 gehen mussten, zählten zusätzlich 5150 Zurückgeschobene. Das sind diejenigen, die unerlaubt nach Deutschland gekommen sind und bereits kurz danach in ihr Herkunftsland oder in ein europäisches Land, das für sie zuständig ist, zurückgebracht werden.
Über 300.000 Menschen müssten Deutschland verlassen
Mit Stand 31. Dezember 2022 befanden sich laut Ausländerzentralregister allerdings mehr als 304.000 „vollziehbar ausreisepflichtige“ Menschen in Deutschland, davon besaßen 248.000 eine Duldung.
Die Union hält die Zahl der Abschiebungen für zu niedrig, von der Linken wird argumentiert, die Menschen würden zu oft Krieg, Repressionen oder Armut ausgeliefert.
Der neue Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen des Bundes, Joachim Stamp (FDP), soll jetzt versuchen, mit den Herkunftsländern von Zuwanderern über Visa-Erleichterungen und „Erwerbs-Migration“ zu sprechen. Gleichzeitig soll er Staaten, die sich bislang sträuben, zu mehr Kooperation bei der Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern bewegen.
EU mit Abschiebungs-Problem
Daran arbeitet auch die EU, um die Abschiebungsquote zu erhöhen. „Einer der wichtigsten Gründe für die niedrige EU-Rückführungsquote ist die mangelnde Zusammenarbeit von Drittstaaten“, heißt es in einem Diskussionspapier, das die schwedische EU-Ratspräsidentschaft vor einem Treffen der Innenminister verbreitet hat.
Die EU bemüht sich schon seit Jahren darum, mehr Menschen ohne Bleiberecht zurückzuführen, kommt dabei aber kaum voran. Das derzeitige EU-Rückkehrsystem sei „in hohem Maße ineffizient und bewirkt daher das Gegenteil dessen, was es eigentlich soll: Statt abzuschrecken, leistet es illegaler Migration Vorschub“, hieß es Ende 2021 zu einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs.
2019 lag die Quote ausreisepflichtiger Menschen, die die EU tatsächlich verließen, bei 29 Prozent. 2021 waren es – wohl auch coronabedingt – nur 21 Prozent. Dabei hatte die Brüsseler Behörde noch 2018 ein Ziel von rund 70 Prozent ausgerufen. Auch die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat im Koalitionsvertrag eine „Rückführungsoffensive“ angekündigt.
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Die Gründe für die niedrige Quote sind vielfältig. Zum einen setzen viele EU-Staaten ihre Entscheidungen nicht konsequent um. So nutzen etwa nur wenige Länder die Möglichkeit, die EU-Agentur Frontex für Abschiebeflüge einzuspannen. Zum anderen kooperieren viele Drittstaaten nicht mit der EU.
Druck nur auf ein einziges Land
Als unkooperative Länder, aus denen viele Menschen in die EU kommen, werden in Brüssel etwa Marokko und Algerien sowie Staaten am Horn von Afrika genannt. Als mögliche Druckmittel nannte ein EU-Gipfel im Dezember 2021 die Visapolitik sowie Handelsbeziehungen und Entwicklungshilfe.
Tatsächlich hat die EU-Kommission bislang aber nur für vier Länder vorgeschlagen, dieses Druckmittel anzuwenden – Bangladesch, Irak, Gambia und Senegal. Jedoch haben die EU-Staaten den Vorschlag einzig für Gambia angenommen.