Höhere Preise für mehr Tierwohl

Wer zahlt 35 Euro für glücklichere Kühe?

Würde jeder Bundesbürger im Jahr 35 Euro mehr für Milch, Fleisch und Eier bezahlen, ließen sich Kühe, Rinder und Hühner unter besseren Bedingungen halten. Aber kommt das Geld im Stall auch an?

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Kühe in Bayern auf der Weide – damit die Tiere im Stall besser gehalten werden, müssten Kunden 2 Cent pro Liter Milch mehr ausgeben.
Kühe in Bayern auf der Weide – damit die Tiere im Stall besser gehalten werden, müssten Kunden 2 Cent pro Liter Milch mehr ausgeben.Imago Images/Shotshop

Mehr Platz im Schweinestall, angenehmere Bodenbeläge für Milchkühe: Um bessere Haltungsbedingungen in der Landwirtschaft mitzufinanzieren, müsste jeder Verbraucher einer neuen Berechnung zufolge pro Jahr im Schnitt 35,02 Euro mehr für tierische Produkte bezahlen. So viel könnte die von einer Expertenkommission empfohlene sogenannte Tierwohlabgabe den Durchschnittsbürger kosten.

Das geht aus einer Antwort des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervor. Wenn die Empfehlung umgesetzt würde, entfielen demnach 23,80 Euro auf Fleisch, 4,72 Euro auf Eier und 6,50 Euro auf Milch und Milchprodukte.

Auch Sattelschweine könnten mehr Platz in ihrem Stall bekommen – der Aufschlag für mehr Tierwohl läge bei Fleischprodukten bei etwa 40 Cent. 
Auch Sattelschweine könnten mehr Platz in ihrem Stall bekommen – der Aufschlag für mehr Tierwohl läge bei Fleischprodukten bei etwa 40 Cent. Imago Images/penofoto

Für die Berechnung zog das Ministerium den Durchschnittskonsum der Bundesbürger heran. Das waren nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im vergangenen Jahr pro Person 59,5 Kilo Fleisch, 118,2 Kilo Milch und 236 Eier.

Im Februar hatte eine Kommission unter Leitung des früheren Agrarministers Jochen Borchert Empfehlungen vorgelegt, um Verbesserungen in der Tierhaltung zu finanzieren. Sie schlug dafür eine Abgabe auf tierische Produkte vor, die als Verbrauchsteuer umzusetzen wäre.

Denkbar wären demnach Aufschläge von 40 Cent pro Kilo Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Frischmilchprodukte und 15 Cent pro Kilo für Käse, Butter und Milchpulver. Nach zahlreichen Corona-Infektionen in der Schlachtbranche waren Niedrigpreise für Fleisch erneut in die Kritik geraten und es kam im Juni noch einmal Bewegung in die Diskussion um die Tierwohlabgabe.

Demonstranten mit Masken mit einem Foto von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner protestierten Ende Juni gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung.
Demonstranten mit Masken mit einem Foto von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner protestierten Ende Juni gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung.Imago Images/Bildgehege

In den Empfehlungen kritisierten die Experten Mitte Februar unter anderem zu wenig Platz im Stall, die teils schmerzhaften Eingriffe wie das Kürzen von Schnäbeln bei Legehennen und das hohe Leistungsniveau, also etwa möglichst viel Milch pro Kuh. Um dies und anderes zu verbessern, belaufe sich der Förderbedarf allein in der Anfangsphase auf etwa 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Das könnten zumindest zum Teil auch die Verbraucher finanzieren, denn: „Für die Erhebung von Steuern/Abgaben auf tierische Produkte spricht, dass sich eine klima- und umweltpolitisch gewollte, moderate Lenkungswirkung ergibt und dass Bürgerinnen und Bürger proportional zu ihrem Verbrauch an tierischen Produkten belastet werden.“

Und das wollen die meisten Verbraucher auch, wie laut Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Umfragen ergaben. Preise müssten abbilden, was die Herstellung etwa von Fleisch unter fairen Bedingungen koste, sagte vzbv-Chef Klaus Müller. „35 Euro werden nicht sofort eine optimale Tierhaltung ermöglichen. Höhere Tierschutzstandards werden sich in einem höheren Fleischpreis niederschlagen, und umgekehrt rechtfertigen nur höhere Standards eine höhere finanzielle Belastung für Verbraucher“, sagte Müller. Flankiert werden müsse diese aber mit einer „ehrlichen, verlässlichen und verständlichen Tierwohlkennzeichnung sowie mit einem Ausgleich für Haushalte mit zu geringem Einkommen“.

Ein Aufkleber mit der Aufschrift „Stallhaltung“ als niedrigste Stufe der Haltungsform klebt auf einer Fleisch-Packung in einem Supermarkt.
Ein Aufkleber mit der Aufschrift „Stallhaltung“ als niedrigste Stufe der Haltungsform klebt auf einer Fleisch-Packung in einem Supermarkt.Sebastian Gollnow/dpa

Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) hatte sich im Juni – als die Corona-Krise in den Schlachthöfen ankam – für die von der Kommission empfohlene Tierwohlabgabe ausgesprochen. Das Konzept bekam Anfang Juli weiteren Rückenwind: Der Bundestag forderte die Bundesregierung mit breiter Mehrheit auf, noch bis zur Wahl 2021 eine Strategie zum grundlegenden Umbau der Tierhaltung mit Vorschlägen zur Finanzierung vorzulegen.

Für FDP-Fraktionsvize Frank Sitta ist jedoch „abzusehen, dass das Geld aus einer Fleischsteuer überhaupt nicht zielgerichtet bei den Landwirten im Stall ankommen wird, sondern im Staatshaushalt versickert“. Deshalb lasse sich mehr Tierwohl besser über eine Anhebung der EU-weiten Tierhaltungsstandards und marktbasierte Ansätze erreichen.