Hygiene zu Honeckers Zeiten

Wofasept und Gesundheitshelfer: KURIER blickte ins Medizin-Schränkchen der DDR

Jeder spricht über Hygiene, aber wie sah es damit früher aus? Im Depot des Berliner DDR-Museum lagern mehr als 300.000 Artefakte aus der Zeit vor der Wende - der KURIER riskierte einen Blick.

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Sammlungsleiter Jörn Kleinhardt im Depot des DDR-Museums.
Sammlungsleiter Jörn Kleinhardt im Depot des DDR-Museums.Foto: Berliner KURIER / Markus Wächter

Im Jahr 2020 scheint sich alles um zwei Dinge zu drehen: Medizin und Hygiene. Heute ist Deutschland gut ausgerüstet und auf viele Dinge vorbereitet – aber wie sah es damit aus, als die Mauer noch stand? Im Depot des Berliner DDR-Museum schlummern über 300.000 Exponate aus Honis Zeiten, darunter auch Artefakte, die früher der Hygiene dienten. KURIER stöberte im Medizin-Schränkchen.

Na, kennen Sie noch Wofasept? Auch wenn heute nicht mehr jeder weiß, wie die Verpackung des bekannten DDR-Desinfektionsmittels aussah, dürften sich viele noch an seinen Duft erinnern. Bisweilen sprach man vom „DDR-Geruch“, weil das Mittelchen in vielen Gebäuden zur Flächendesinfektion eingesetzt wurde. „In der Gedenkstätte in Hohenschönhausen kann man ihn noch wahrnehmen, weil das Mittel aus den Linoleumböden ausdünstet“, sagt Jörn Kleinhardt, der Sammlungsleiter des Berliner DDR-Museums in der Karl-Liebknecht-Straße. „Und ich erinnere mich, dass meine Schule früher immer danach roch. In Sachen Chemie war die DDR gut aufgestellt.“

Gut bei Erkältungen half diese Inhalations-Pfeife.
Gut bei Erkältungen half diese Inhalations-Pfeife.Foto: zVg/DDR Museum berlin

Die Flasche „Wofasept“, hergestellt im Chemiekombinat Bitterfeld, ist nur eines von mehr als 300.000 Artefakten aus dem Depot des DDR-Museums – und eines von vielen aus dem medizinischen Bereich. Während zu Beginn der Corona-Krise viele nach solchen Mittelchen jagten, gab es zu DDR-Zeiten mehr als genug davon. „Aber man weiß natürlich nicht, was passierte wäre, wenn die Menschen auch damals gehamstert hätten“, sagt Kleinhardt.

Was die Gesundheitsversorgung betraf, sei die DDR gut ausgestattet gewesen, erzählt der Experte. „Die medizinische Versorgung war solide und kostenfrei, das war eine große Errungenschaft. Andererseits war das Niveau überschaubar, teure Spezialbehandlungen nicht für jedermann zugänglich. Und die in der DDR gut ausgebildeten Ärzte waren hart umworben und konnten in Westdeutschland ein Vielfaches verdienen.“ Damit habe die DDR bis zu ihrem Ende zu kämpfen gehabt.

Besonderen Wert wurde damals auf die Vorbeugung gelegt – davon zeugen die Dinge, die im Archiv des Museums schlummern. Viele dürften etwa das Buch „Grundlagen für den Gesundheitshelfer“ kennen, herausgegeben vom Deutschen Roten Kreuz der DDR. „Für die Volksaufklärung und die medizinische Vorbeugung waren zwei große Institutionen zuständig: Das DRK und das Hygiene-Museum in Dresden“, erklärt Kleinhardt. Wichtig waren unter anderem die Aufklärung über Krankheiten und gesunde Lebensweisen. „Das DRK baute dabei vor allem auf freiwillige Helfer, die dafür ausgebildet wurden, das Buch diente als Lehrbuch. Bei Veranstaltungen wie Fußballspielen standen neben Rettungskräften auch die Gesundheitshelfer bereit.“

Das Hygiene-Museum in Dresden trug damals mit einem eigenen Maskottchen zur Gesundheitsbildung des Nachwuchs bei: Kundi, der im Museumsschatz heute unter anderem als kleine Spielfigur vorkommt, gab es bis Anfang der 90er-Jahre. „Er hatte ein Zauberfernrohr, mit dem er die Kinder beobachtete und sie dann belehrte“, sagt Kleinhardt. In Trickfilmen und Comics wurden jene Geschichten erzählt. Doch nach der Wende kam das Aus. „Denn das Beobachten mit einem Fernrohr weckte negative Assoziationen und war nicht mehr zeitgemäß.“

Auch solche Medikamenten-Packungen waren in vielen Schränken im Osten zu finden.
Auch solche Medikamenten-Packungen waren in vielen Schränken im Osten zu finden.Foto: zVg/DDR Museum Berlin

Auch medizinische Ausrüstung findet sich im Museumsschatz – neben „Wofasept“ gab es auch das Spray „Panthenol“, das noch heute verwendet wird. Außerdem Medikamente des Herstellers Germed. „Das war ein ab 1961 aus dem Arzneimittelwerk Dresden und dem VEB Chemische Werke Radebeul gebildetes Kombinat, welches ab 1979 nahezu alle Arzneimittelhersteller der DDR beinhaltete“, sagt Kleinhardt. „Gleichzeitig war Germed aber auch eine ab 1964 geführte Handelsmarke. Der Name steht für German Medicine und wurde auch im Ausland vermarktet. Damit wollte sich der Staat zusätzliche Devisen erwirtschaften.“

Gut erhalten sind außerdem eine Beatmungshilfe für den Hausgebrauch, Fieberthermometer, Hustentee, ein Inhalator und Verbände von „Gothaplast“. Woher kommen heute noch solche Dinge? „Wenn es eine Wohnungsauflösung gibt und der Badschrank ausgeräumt wird, tauchen oft solche Objekte auf“, sagt Kleinhardt. Wer weiß, was noch in vielen Ostdeutschen Haushalten schlummert …