Viertagewoche

Volles Gehalt bei vier Tagen Arbeit: Was bringt das neue Berliner Job-Projekt?

Dieser Frage geht in Berlin ein Pilotprojekt nach. Ab Donnerstag können sich Arbeitgeber um die Teilnahme bewerben.

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Eine bessere Work-Life-Balance ist der Wunsch vieler Arbeitnehmer. Eine Berliner Firma arbeitet an einem passenden Modell zur Viertagewoche.
Eine bessere Work-Life-Balance ist der Wunsch vieler Arbeitnehmer. Eine Berliner Firma arbeitet an einem passenden Modell zur Viertagewoche.Uwe Umstätter/Westend61/dpa

Kürzer arbeiten, dafür aber weiterhin volles Gehalt bekommen – dass diese Idee bei vielen Arbeitnehmern gut ankommt, dürfte nicht überraschen. Aber ist sie auch umsetzbar in einer zuletzt schwächelnden Volkswirtschaft? Ein Projekt will das herausfinden.

100-80-100 – ist das das Modell der Zukunft? Dieser Frage geht in Deutschland bald ein Pilotprojekt nach, ab Donnerstag können sich Arbeitgeber zur Teilnahme bewerben. 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit bei 100 Prozent Bezahlung, kurzum: eine Viertagewoche soll dabei über sechs Monate erprobt und die Umstellung wissenschaftlich ausgewertet werden. „Wir erhoffen uns, die Debatte um die Viertagewoche auf ein neues Niveau zu heben – mit wissenschaftlicher Unterstützung“, sagt dazu der Unternehmensberater Jan Bühren von Intraprenör.

Die Firma mit Sitz in Berlin startet das Projekt in Deutschland gemeinsam mit der Organisation 4 Day Week Global. Die NGO hat solche Studien bereits in anderen Ländern initiiert, unter anderem ein viel beachtetes Projekt in Großbritannien. „Uns stört es, dass die gesamte Diskussion quasi im luftleeren Raum passiert, weil alles nur in Theorie besprochen, aber nicht ausprobiert wird“, sagt Bühren. Das soll sich nun auch in Deutschland ändern.

Viertagewoche ist nicht gleich Viertagewoche

Das Pilotprojekt setzt explizit auf eine Viertagewoche, bei der die Arbeitszeit reduziert wird, Gehalt und angestrebte Leistung aber gleich bleiben sollen. Andere Modelle sehen beispielsweise vor, dass mit weniger Arbeitszeit auch weniger Lohn einhergeht. Darüber hinaus versuchen sich einige kleinere Unternehmen in einem Konzept, bei dem an vier Tagen etwas mehr gearbeitet wird, um dann am fünften Tag die Mehrstunden der Vortage durch Freizeit auszugleichen.

Am meisten diskutiert wird aber über die erste Variante, also weniger Arbeitszeit bei gleichem Lohn. Dieses Modell strebt auch die IG Metall an, wenn sie für die nächsten Tarifverhandlungen in der Eisen- und Stahlindustrie eine Viertagewoche fordert. Die Idee dahinter ist: Wer nur an vier Tagen in der Woche arbeiten muss, ist konzentrierter und motivierter bei der Sache – und erfüllt seine Aufgaben auch in der geringeren Zeit noch erfolgreich.

In Umfrage hohe Zustimmung für Viertagewoche

Eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass die Viertagewoche bei Arbeitnehmern eine beliebte Vorstellung ist, zumindest in Kombination mit gleichem Lohn. In der Befragung der Stiftung sagten gut 73 Prozent, dass sie sich eine Viertagewoche mit entsprechend kürzerer Arbeitszeit wünschen. Rund acht Prozent wünschen sich diese auch mit weniger Lohn. 17 Prozent lehnten die Viertagewoche ab. Bei den Gründen wurde der Punkt „Weil ich mehr Zeit für mich selbst haben will“ am häufigsten genannt (96,5 Prozent). Dahinter folgte „Weil ich mehr Zeit für meine Familie haben will“ (89 Prozent).

Jene Befragten, die die Viertagewoche ablehnten, sagten besonders häufig, dass sie Spaß an der Arbeit hätten (86 Prozent). 82 Prozent zeigten sich skeptisch, dass eine Arbeitszeitverkürzung etwas an den Arbeitsabläufen ändern würde. Rund 77 Prozent gehen davon aus, dass sie die Arbeit dann nicht mehr schaffen würden.

Mittelstandsverband sieht Viertagewoche skeptisch

Der Mittelstand schaut dagegen skeptischer auf die Viertagewoche. Individuelle Lösungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern seien zu befürworten, sagte Christoph Ahlhaus, Bundesgeschäftsführer beim Bundverband Mittelständische Wirtschaft, der dpa. Staatliche Einmischung, die weniger Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich vorsehe, lehne der Mittelstand aber ab, „weil bei verringerter Arbeitszeit Produktivitätsverluste drohen, unter denen zuerst die Unternehmen und dann wir alle zu leiden haben“. Er halte es für ausgeschlossen, dass eine nennenswerte Zahl an Mitgliedern angesichts des Fachkräftemangels eine „staatlich verordnete Viertagewoche“ einführen werde.

Große Arbeitgeber-Zustimmung für Viertagewoche

Nach dem Pilotprojekt in Großbritannien zogen die meisten der teilnehmenden Unternehmen ein sehr positives Fazit. 56 von 61 Arbeitgebern teilten mit, dass sie die Viertagewoche beibehalten wollen. Die Krankheitstage gingen demnach während des Testzeitraums um rund zwei Drittel (65 Prozent) zurück, und die Zahl der Angestellten, die in dieser Zeit das Unternehmen verließen, fiel um mehr als die Hälfte (57 Prozent). Durchschnittlich stieg der Umsatz der beteiligten Unternehmen der Analyse zufolge während der Testphase um 1,4 Prozent. Die Analyse nahmen Forscher aus Boston und Cambridge vor, sie führten auch Tiefeninterviews mit Beteiligten.

Die Ergebnisse beruhen allerdings auf der Auswertung von Unternehmen, die sich freiwillig zur Teilnahme gemeldet hatten. Eine zufällige Auswahl gab es nicht. In Großbritannien nahmen Unternehmen aus dem Finanzsektor, der IT- und Baubranche sowie der Gastronomie und dem Gesundheitswesen teil. Insgesamt beschäftigen die beteiligten Firmen rund 2900 Angestellte. Einige Betriebe führten flächendeckend ein dreitägiges Wochenende ein, während andere den freien Tag der Angestellten über die Woche staffelten oder an Ziele koppelten.

Viertagewoche soll mehr als 50 Unternehmen in Deutschland überzeugen

Hierzulande soll das Projekt ähnlich ablaufen wie in Großbritannien: Interessierte Unternehmen können sich ab Donnerstag für die Teilnahme bewerben. Intraprenör hat sich zum Ziel gesetzt, mehr als 50 Unternehmen in Deutschland von einer Teilnahme zu überzeugen. Noch in diesem Jahr soll auch der Testzeitraum beginnen.

Die teilnehmenden Unternehmen sollen die Viertagewoche dann mindestens sechs Monate lang ausprobieren. Innerhalb dieses Zeitraums können sie Intraprenör zufolge auf Experten zurückgreifen, neue Methoden lernen und mit den anderen Arbeitgebern in den Austausch gehen. Auch Kontakte zu Unternehmen, die bereits dauerhaft auf die Viertagewoche umgestellt haben, sollen ermöglicht werden. Die wissenschaftliche Auswertung übernimmt die Universität Münster.

Die Einführung einer Viertagewoche, bei der die übliche Arbeitswoche von fünf Tagen auf vier Tage reduziert wird, hat sowohl Vor- als auch Nachteile.

Vorteile der Viertagewoche

Mehr Freizeit: Die offensichtlichste und ansprechendste Folge einer Viertagewoche ist, dass Arbeitnehmer mehr Freizeit haben. Dies ermöglicht es ihnen, sich besser zu erholen, Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Bessere Work-Life-Balance: Eine kürzere Arbeitswoche trägt dazu bei, die Work-Life-Balance zu verbessern, was insgesamt zu weniger Stress und Burnout führt.

Steigerung der Produktivität: Einige Studien deuten darauf hin, dass kürzere Arbeitswochen die Produktivität erhöhen, weil Mitarbeiter dazu neigen, sich stärker auf ihre Arbeit zu konzentrieren, wenn sie weniger Zeit haben.

Umweltfreundlicher: Weniger Arbeitstage bedeuten weniger Pendelverkehr und weniger Energieverbrauch, was positive Auswirkungen auf die Umwelt haben kann.

Attraktivität für Talente: Unternehmen, die eine Viertagewoche anbieten, können sich als attraktive Arbeitgeber für Fachkräfte positionieren und Talente anziehen.

Nachteile der Viertagewoche

Längere Arbeitstage: In einer Viertagewoche müssen Arbeitnehmer oft mehr Stunden pro Tag arbeiten, um die gleiche wöchentliche Arbeitszeit zu erreichen. Dies kann physisch und mental belastend sein.

Schwierige Umsetzung: Die Umstellung auf eine Viertagewoche ist für einige Unternehmen schwierig, insbesondere in Branchen, die rund um die Uhr arbeiten müssen oder saisonale Schwankungen erleben.

Verringerter Kundenservice: Unternehmen mit kürzeren Arbeitszeiten könnten Schwierigkeiten haben, den Kundenservice während der üblichen Geschäftszeiten aufrechtzuerhalten.

Geringeres Einkommen: Da Arbeitnehmer an weniger Tagen bezahlt werden, könnte sich dies auch auf ihr monatliches Einkommen auswirken, was für einige finanzielle Herausforderungen bedeutet.

Mögliche Ungleichheiten: Eine Viertagewoche führt in einigen Fällen zu Ungleichheiten, nämlich dann, wenn bestimmte Mitarbeiter aufgrund ihrer Position oder Aufgaben nicht in der Lage sind, von dieser Arbeitszeitreduzierung zu profitieren.