Erste Sperrstunde seit 71 Jahren: Die Stadt, die niemals schläft, wird geschlossen!
Das letzte Mal gab es nach dem Zweiten Weltkrieg eine Sperrstunde in Berlin. 1949 wurde sie aufgehoben. Warum? Das erklärt dieser Blick zurück nach Ost- und West-Berlin.

Berlin führt eine Sperrstunde ein, das erste Mal seit 71 Jahren. Der Berliner Senat macht mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ernst. Die Stadt wird für die Zeit zwischen 23 und 6 Uhr quasi geschlossen. In dieser Zeit müssen alle Einrichtungen außer Apotheken und Tankstellen schließen. Diese Regelungen treten am Sonnabend in Kraft und gelten bis zum 31. Oktober. Aus aktuellem Anlass blicken wir zurück und erklären, warum Berlin 71 Jahre lang keine Sperrstunde hatte.
Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie galt Berlin als Stadt, die niemals schläft. Kneipen, Bars und Clubs waren immer geöffnet und ein Garant für lange Partynächte. Berlin hatte sich den Mythos einer europäischen Partymetropole erworben. Die langen Partynächte hatten mit einer historischen Errungenschaft zu tun, die man heute fast schon vergessen hat: 1949 wurde in Berlin die Sperrstunde abgeschafft.
Für das Aus der Sperrstunde – dafür waren die Nachkriegsereignisse in Berlin verantwortlich. In der in vier Sektoren aufgeteilten Stadt führten die Sowjets gleich 1945 ab 21 Uhr die Sperrstunde für Lokale und Bars im Ostteil ein. Die Westalliierten zogen nach. Daraufhin verlängerten die Sowjets ihre Sperrstunde um eine Stunde nach hinten. Zog der Westteil erneut nach, verlängerten die Sowjets wieder die Sperrzeit um eine Stunde. So kamen mehr West-Berliner in den Osten, weil dort die Kneipen 60 Minuten länger offen hatten – am Ende bis 24 Uhr.
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Der Kalte Krieg um die Zecher: Für das Sperrstunden-Aus sorgte ein West-Berliner Gastronom, die spätere Hotel-Legende Heinz Zellermayer (starb 2011). Er ging im Juni 1949 zum Berliner US-Stadtkommandanten General Frank Howley. Mit einer Flasche Whiskey soll er ihn überzeugt haben, die Sperrstunde im Westteil abzuschaffen.
Das Nachtleben blühte auf. West-Berlin wurde zum Eldorado der Feierwütigen, die vor allem aus Westdeutschland kamen, wo es noch Sperrstunden gab. Nicht nur in den Kneipen ging es vor allem ab den 70er-Jahren hoch her, so wie es 1978 im Kult-Hit „Kreuzberger Nächte sind lang“ besungen wurde. Große Diskotheken, wie das „Big Eden“ des legendären Playboys Rolf Eden, entstanden, wo wilde Partys bis zum Morgengrauen gefeiert wurden.
Auch in Ost-Berlin wurde viel und lange in Kneipen und Bars gefeiert, dank Ausnahmegenehmigungen. Eine Verordnung von 1955 sah eigentlich vor, dass DDR-Gaststätten im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung werktags nur bis 24 Uhr und an Sonnabenden nur bis 1 Uhr geöffnet sein durften. Viele sogenannte Nachtdiskotheken hatten aber bis in den frühen Morgen geöffnet.
Damit dürfte jetzt bald Schluss sein – das erste Mal seit 71 Jahren.