Die steigenden Infektionszahlen in Deutschland bereiten zum Start der Feriensaison zunehmend Sorgen - vor allem die Situation in Berlin wird von den Ländern unterschiedlich bewertet. 
Die steigenden Infektionszahlen in Deutschland bereiten zum Start der Feriensaison zunehmend Sorgen - vor allem die Situation in Berlin wird von den Ländern unterschiedlich bewertet.  Foto: Christoph Soeder/dpa

Der Berliner Senat hat sich am Dienstag zunächst nicht auf eine Sperrstunde als Maßnahme zur Eindämmung der Corona-Pandemie verständigt. Eine Entscheidung solle erst am Abend fallen, sagte eine Senatssprecherin zur Mittagszeit auf der Pressekonferenz im Anschluss an die turnusmäßige Senatssitzung. Seit Tagen hatte vor allem Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) für ein Verbot von Alkoholausschank und -verkauf zwischen 23 und 6 Uhr geworben. Dies sei notwendig, um die Virusverbreitung zu verlangsamen.

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Genauso klar haben in den vergangenen Tagen Grüne und vor allem Linke dagegen argumentiert. Solange es keine wissenschaftlich belastbaren Zahlen darüber gebe, dass Alkoholkonsum tatsächlich zu mehr Infektionen führe, sei ein solches Verbot nicht nur unsinnig, sondern verwirrend und damit sogar kontraproduktiv. Viel wichtiger sei es, bestehende Regeln wirksam umzusetzen, sagte Linke-Fraktionschef Carsten Schatz.

Die CDU kann sich das rot-rot-grüne Gezerre um das nächtliche Getränk aus sicherer Entfernung anschauen. Vielleicht auch deshalb hat sich die größte Oppositionsfraktion im Abgeordnetenhaus noch keine abgestimmte Meinung darüber gebildet. So gibt es bisher allenfalls Einzelmeinungen aus der CDU – allerdings gewichtige. So sagte der Wirtschaftspolitiker Christian Gräff am Dienstag im Gespräch mit der Berliner Zeitung, von einer Sperrstunde halte er „gar nichts“. Der Schaden sei – etwa bei Gastronomie und Hotellerie – viel größer als ein möglicher Nutzen. Es brauche derzeit keine neuen Vorschriften, viel wichtiger sei es, die geltenden Regeln um- und durchzusetzen, so Gräff.

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Außerdem warnte der CDU-Parlamentarier vor einem „populistischen Umgang“ mit dem Virus, wie er sagt. Man solle nicht jeden Tag „aktionistisch eine neue Sau durch die Stadt treiben“. Ohnehin müssten „wir in Berlin aufpassen, dass wird die Stadt nicht selbst zum Hochrisikogebiet hochschrauben“. Dass sich CDU-Mann Gräff damit ziemlich genau auf Linie der Linkspartei befindet, gehört zu den Seltsamkeiten dieser Pandemie.

Mit ähnlicher großer Spannung wurde erwartet, ob sich Gesundheitssenatorin Kalayci - im Senat qua Amt eine Corona-Scharfmacherin - mit ihrer Forderung nach strengeren Kontaktbeschränkungen durchsetzen würde. Seit Tagen propagiert sie eine Regelung, wonach sich maximal fünf Personen treffen dürfen, sofern sie aus mehr als zwei Haushalten stammen. Auch das ist innerhalb von Rot-Rot-Grün heiß umstritten.

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Zumindest ein Ärgernis scheint sich aber aus Sicht der Berliner zu verflüchtigen. Das Bundesland Schleswig-Holstein rückt von seiner Regelung ab, Berlinern aus Bezirken mit hohen Corona-Zahlen bei einer Einreise mit Quarantäne zu drohen. Das gleiche gelte auch für Menschen aus anderen bundesdeutschen Landkreisen mit Inzidenz-Werten von mehr als 50 Neuinfektionszahlen auf 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. "Wir haben im Kabinett heute intensiv beraten und es besteht eine grundsätzliche Absicht, unsere Regelungen anzupassen», sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Dienstag in Kiel. Schleswig-Holstein wolle eine bundeseinheitliche Regelung. Da bisher alle Bundesländer bis auf das Land zwischen Nord- und Ostsee keine Landkreis- oder Bezirke-Regelung haben, ist damit zu rechnen, dass nun auch Schleswig-Holstein davon Abstand nimmt.