Mies van der Rohes Villa in Traum-Lage mit Traum-Blick – und der Traum von der Wiederauferstehung
Florian Mausbach, früherer Präsident des Bundesamts für Bauwesen, kämpft im Ruhestand für den Wiederaufbau der Villa Wolf in Gubin

Es gibt drei Merkmale eines Hauses, die seinen Wert bestimmen: Die Lage, die Lage und die Lage. Folgt man dieser Weisheit der Immobilien-Branche, wäre die Villa Wolf des deutsch-amerikanischen Architekten Ludwig Mies van der Rohe unbezahlbar: Traumhaft weiter Blick, Nähe zur Innenstadt, ruhige, grüne Nachbarschaft. Der Wert der Villa ist nur durch eines gemindert: Sie ist weg.
Aber sie soll wieder auferstehen. Von Berlin aus ist der frühere Präsident des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung, Florian Mausbach, in seinem Ruhestand emsig dabei, Geld einzuwerben für den Wiederaufbau der Villa an der Neiße.

Mies van der Rohe (1886 Aachen – 1969 Chicago), später Architekt der Neuen Nationalgalerie in Berlin, hatte das Haus 1925 bis 1927 für den Textilunternehmer Erich Wolf und seine Frau Elisabeth in Guben errichtet: Hoch über dem Ufer der Lausitzer Neiße im östlichen Teil der einstigen Hutmacher- und Textilstadt, der heute Gubin heißt und zu Polen gehört.
Die Villa Wolf des Star-Architekten stand keine zwanzig Jahre
Lange Freude hatten die Wolfs nicht an Haus und Aussicht: Im Februar 1945 flüchteten sie vor der heranrückenden Sowjetarmee in Richtung Westen. Bei den Kämpfen um die Stadt wurde das Haus schwer beschädigt, danach bedienten sich die Menschen der Umgebung der Reste als Steinbruch für den Wiederaufbau ihrer Häuser.
Gubin legte über den Resten eine Grünanlage an.

Vergessen war die Villa aber nicht. 2001 gab es eine kurze Test-Grabung der Uni Cottbus, 2014 bis 2021 erforschten Wissenschaftler und Studenten der Fachhochschule Potsdam die Geschichte des Gebäudes, 2018/19 ließ Gubin eine Erdradar-Untersuchung machen, und anhand der Befunde war klar: Da ist noch was übrig.

Polnische Armee half beim Ausgraben der Reste der Villa Wolf
Koordiniert vom Archäologischen Museum in Swidnica bei Zielona Góra, technisch von Pionieren der polnischen Armee unterstützt und finanziell von der EU, wurde das Fundament 2021 freigelegt. Zusammen mit den Ergebnissen der Ausgrabung auf rund 300 Quadratmetern, in den USA beschafften Bauzeichnungen und der Vermessung der Ziegel sowie den Fotos kann jetzt die Planung beginnen. Mausbach muss jetzt Geld finden, um mit einem „wissenschaftlichen 1:1-Modell“ Raum für ein nirgends existierendes Museum für den Architekten einrichten zu können.

Das originalgetreue 1:1-Modell der Villa Wolf dürfte drei Millionen Euro kosten. Mindestens
Platz genug wäre da: Die Villa hatte eine Bruttogeschossfläche von 1300 Quadratmetern. Das hat aber auch seinen Preis. Mausbach: „Eine erste Kostenschätzung durch das Büro Heinle Wischer in Breslau ergab vor sieben Jahren polnische Bauwerkskosten in Höhe von 2 Millionen Euro. Es geht also um eine Größenordnung von 3 Millionen Euro Gesamtkosten.“ Als Bauherr soll die Stadt Gubin dienen, Bürgermeister Bartlomiej Bartczak zeigt sich dafür offen.

Wohlwollen gegenüber dem Projekt zumindest bei den an Architektur interessierten Gubinern sieht Krzystof Zdobylak, polnischer Büroleiter des Gubener Bürgermeisters Fred Mahro. Die anderen Gubiner „haben den Schatz noch nicht erkannt“, der da in Gubins Erde ruht und nach dem Wiederaufbau Besucher anlocken könnte. Die Villa Wolf sei eben nicht so bekannt wie die Stadt- und Hauptkirche gleich hinter der Brücke über die Neiße. Auch das Gotteshaus wurde bei Kriegsende schwer beschädigt. Zdobylak: „Man kann es aber im Gegensatz zur Villa noch sehen, obwohl das Kirchenschiff eine Ruine ist.“

Die oberste polnische Denkmalpflegerin, Magdalena Gawin aus dem Warschauer Kulturministerium, habe offiziell ihre Unterstützung des Projekts bekundet – wenn es denn eine wissenschaftlich fundierte, originalgetreue Rekonstruktion werde. Inzwischen stehe das gesamte Grundstück unter Denkmalschutz, berichtet Mausbach.
Es gab schon vielfache Unterstützung für Vorarbeiten an der Villa Wolf
Daimler Stuttgart und Daimler Polska hätten schon 15.000 Euro an den Förderverein bezahlt, um die Baugrube sichern zu können. Die Forschung zur Planrekonstruktion an der Fachhochschule Potsdam wurde von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung gefördert, eine Broschüre von der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit. Es gibt auch Hinweise, dass EU-Fördergeld fließen könnte.

Für Mausbach ist die „nüchterne abstrakt-bewegte Backsteinskulptur der Villa Wolf“ Meilenstein einer „Weltrevolution der Gestalt“. Ludwig Mies van der Rohe habe in jüngeren Jahren sehr herkömmliche Villen gebaut. Mit dem Bau für das Ehepaar Wolf aber, für Mausbach die „Urvilla der Moderne“, begann ein radikaler Wechsel zum Bauhaus, der sich mit der nur wenig später errichteten Villa Tugendhat im tschechischen Brünn und dem deutschen Pavillon der Weltausstellung 1929 in Barcelona fortsetzte.
Andere Gebäude von Mies van der Rohe wurden wieder aufgebaut oder sorgfältig saniert.
Deren Beispiele machen Mausbach auch Mut, dass das Projekt gelingen könnte: Das Mies-Bauwerk in Barcelona, nach der Weltausstellung abgetragen, wurde später wieder aufgebaut, die kriegsbeschädigte Villa Tugendhat nach sehr unterschiedlichen Nutzungen hergerichtet und Teil des UNESCO-Welterbes.

Mausbach hatte zusammen mit dem Architektur-Professor Dietrich C. Neumann von der Brown-Universität (US-Staat Rhode Island) schon 2014 die Idee eines Wiederaufbaus ins Rollen gebracht. Neumann vermittelte auch die Bauzeichnungen aus dem Museum of Modern Art in New York. Die Originale in Deutschland waren im Krieg verloren gegangen, Mies van der Rohe hatte aber Zeichnungen mit in die USA genommen, in die er 1938 ausgewandert war und deren Staatsbürgerschaft er 1944 angenommen hatte.
Unterstützung für die Idee des Wiederaufbaus insbesondere aus Nordamerika erhofft
Mausbach und Neumann versicherten sich auch prominenter Schirmherren für ihre Idee eines Wiederaufbaus. Darunter des Mies-Neffen und Architekten Dirk Lohan aus Chicago, von Lord Peter Palumbo, britischer Ex-Vorsitzender der Jury des Pritzker-Architektur-Preises, des inzwischen verstorbenen deutsch-amerikanischen Architekten Helmut Jahn (Sony-Center) und der Kanadierin Phyllis Lambert, die gemeinsam mit Mies in Toronto gebaut hatte.

Mit der zweiten deutschen Auflage eines Buchs über die Villa Wolf, einer polnischen und vor allem einer englischen Ausgabe im Herbst soll Aufmerksamkeit geschaffen werden. Wegen der vielen Bezüge nach Nordamerika, wo es viele Mies-Fans gebe, setzt Mausbach besonders auf die englische Ausgabe.
Die Frage, wann das Gebäude fertiggestellt werden könnte, quittierte Mausbach gegenüber dem KURIER mit trockenem Humor: „Ich bin 78 Jahre alt und will es noch erleben.“

Hier kann man mehr über die Villa erfahren
Die Internetseite https://www.villawolfprojekt.org/ des Fördervereins ist zugänglich, wenn auch noch im Aufbau. Das Buch Ludwig Mies van der Rohe / Villa Wolf in Gubin / Geschichte und Rekonstruktion, herausgegeben von Dietrich Neumann bei DOM publishers in Berlin, kostet 28 Euro.
Im Stadtmuseum von Guben (Gasstraße 5) läuft noch bis 4. September die Ausstellung „Mies van der Rohe - Aufbruch in die Moderne in Guben/Gubin“ (di.-fr. 12-17 Uhr, so. 14-17 Uhr).
Wer die Aussicht genießen will: Die Ausgrabung der Villa Wolf in Gubin liegt am Rand einer Grünanlage mit Spielplatz an der ul. Królewska. Gleich gegenüber ist ein Parkplatz.