Sie hatte Leukämie!

Glückliche Annabel: Vierjährige Berlinerin trifft zum ersten Mal ihren Lebensretter

Frank-Walter Steinmeiers Frau Elke Büdenbender rührte das Schicksal des Mädchens, sie war beim Kennenlernen im Berliner Schloss Bellevue dabei.

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Annabel Rogotzki (4) und ihr Lebensretter Fabian Dancker im Park von Schloss Bellevue in Berlin. Es ist ein glückliches Treffen.
Annabel Rogotzki (4) und ihr Lebensretter Fabian Dancker im Park von Schloss Bellevue in Berlin. Es ist ein glückliches Treffen.Bernd von Jutrczenka/dpa

Sie hat so viel Glück gehabt! Im Alter von 15 Monaten erkrankte Annabel an Leukämie – dank einer Stammzellenspende überlebte das kleine Mädchen. Nun haben die heute Vierjährige und ihre Familie den bislang anonymen Spender zum ersten Mal getroffen. Die Fotos vom Treffen sind herzzerreißend!

Als Annabel und Fabian Dancker endlich voreinander stehen, passiert für eine kurze Weile erst mal gar nichts. Kein großes Hallo, kein Aufeinanderstürmen – es scheint, als müssten beide erst einmal verdauen, wer da gerade vor ihnen steht. Schüchtern und mit etwas Abstand schaut die Vierjährige ihren Lebensretter an, der verlegen die Hände hinter seinem Rücken hält und mit den Tränen kämpft. „Endlich ein Gesicht dazu“, sagt der 38-Jährige. Dann löst sich die Anspannung. Annabels Mutter Anne Rogotzki läuft auf Fabian Dancker zu und schließt ihn fest in die Arme.

Zwei Jahre mussten ihre Eltern Anne und Marc Rogotzki warten, bis sie den Mann, der ihrer Tochter Annabel die lebensrettenden Stammzellen spendete, an einem Sommertag im Juli das erste Mal persönlich treffen durften. Die DKMS, die Stammzellen in die ganze Welt vermittelt, schreibt eine mindestens zweijährige Anonymitätsfrist vor.

Elke Büdenbender, Marc Rogotzki mit Tochter Romy, Anne Rogotzki mit Tochter Annabel und Fabian Dancker (v.l.) spazieren durch den Park von Schloss Bellevue in Berlin.
Elke Büdenbender, Marc Rogotzki mit Tochter Romy, Anne Rogotzki mit Tochter Annabel und Fabian Dancker (v.l.) spazieren durch den Park von Schloss Bellevue in Berlin.Bernd von Jutrczenka/dpa

Das Treffen fand an einem ungewöhnlichen Ort statt: in Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Annabels Vater ist Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes. Steinmeiers Frau Elke Büdenbender rührte das Schicksal der Familie, sie war bei dem Kennenlernen im Schloss dabei.

Annabels Vater ist Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes

Sie könne die Dankbarkeit, die sie empfinde, nur schwer in Worte fassen, sagt Anne Rogotzki kurz nach dem Treffen und versucht ihre Tränen zurückzuhalten. Die Idee, Blumen mitzubringen, hätten sie und ihr Mann schnell wieder verworfen: Es würde dem, was Fabian Dancker für sie und ihre Familie getan habe, nicht gerecht. Sich endlich kennenzulernen sei „superschön, toll, bewegend“ gewesen. Die Familie war seit Mai bereits telefonisch und per Chat in Kontakt mit Fabian Dancker.

Fabian Dancker kann seine Gefühle nur schwer in Worte fassen. „Im Vorfeld war ich sehr aufgeregt“, sagt er. Er freue sich sehr, Annabel und ihre Eltern, die inzwischen eine zweite Tochter haben, kennenzulernen und zu sehen, wie gut es Annabel gehe. Das Mädchen ist ausgesprochen quirlig. Die Vierjährige schäkert mit den Anwesenden, lacht viel und turnt herum. „Ich kann auch schon einen Purzelbaum“, sagt sie stolz und zeigt das auf dem perfekt gemähten Schlossrasen.

Doch so gut wie heute ging es dem Mädchen lange Zeit nicht. Im Alter von nur 15 Monaten wurde bei Annabel, die mit ihrer Familie in Berlin lebt, im Herbst 2020 Leukämie diagnostiziert. Schnell stellte sich heraus, dass sie auf eine Stammzellenspende angewiesen war. Im weltweiten Suchlauf wurde Fabian Dancker, der mit seiner schwangeren Frau im Siegerland lebt, als passendes Match identifiziert.

Nach der Kontaktaufnahme durch die DKMS stimmte Dancker einer Spende zu. So erhielt Annabel fünf Monate nach der Krebsdiagnose die rettende Stammzellenspende. „Das ist deins“, sagte Anne Rogotzki lachend zu Fabian Dancker und zeigte auf ein Foto von Annabel, auf dem sie die rettende Transfusion der Stammzellen bekommt.

700 Kinder erhalten in Deutschland jedes Jahr wie Annabel eine Blutkrebsdiagnose

Rund 700 Kinder erhalten in Deutschland laut DKMS jedes Jahr eine Blutkrebsdiagnose. Den Angaben zufolge sterben jährlich etwa 19.500 Menschen in Deutschland an der Krankheit. Die Übertragung von gesunden Blutzellen ist oft die einzige Überlebenschance. Die Suche nach einem passenden Spender ist allerdings schwierig und gleicht der DKMS zufolge einer „Suche nach der Nadel im Heuhaufen“.

Die kleine Annabel und Fabian Dancker spielen im Park von Schloss Bellevue in Berlin mit einem Ball. Das Mädchen wirkt überglücklich.
Die kleine Annabel und Fabian Dancker spielen im Park von Schloss Bellevue in Berlin mit einem Ball. Das Mädchen wirkt überglücklich.Bernd von Jutrczenka/dpa

Denn um das passende Match zu finden, müssen die Gewebemerkmale, sogenannte HLA-Merkmale, auf der Oberfläche der Körperzellen möglichst identisch sein. Die HLA-Merkmale haben aber mehr als 30.000 Varianten und können in Abermillionen unterschiedlichen Kombinationen auftreten.

Im vergangenen Jahr vermittelte die DKMS eigenen Angaben zufolge weltweit 7700 Spenden, 5400 der Spenderinnen und Spender kamen aus Deutschland. Mehr als 7,5 Millionen Menschen seien als Stammzellenspender registriert. Wenn Spender und Empfänger sich nach einer erfolgreichen Spende für ein persönliches Treffen entschieden, sei das immer ein ganz besonderer Moment, sagte DKMS-Geschäftsführerin Elke Neujahr. „Ich bin jedes Mal zu Tränen gerührt.“

Aus einigen Begegnungen entstünden lebenslange Freundschaften, sogar eine Ehe sei aus der Beziehung zwischen einem Spender und einer Empfängerin entstanden.

Emotionale Begegnung mit Annabel und ihrer Familie

Fabian Dancker ist froh, sich vor mehr als zehn Jahren als Spender eingetragen zu haben. „Es ist eine Kleinigkeit, sich als Spender registrieren zu lassen, die großen Effekt hat.“ Die emotionale Begegnung mit Annabel und ihrer Familie muss er nun erst einmal sacken lassen. Am Schloss Bellevue näherten sich die beiden vorsichtig an und spielten Ball auf der Wiese. Wie es nach dem ersten Treffen weitergehe, wisse er noch nicht. Er betont aber: „Wir bleiben auf jeden Fall in Verbindung.

Eine Stammzellspende, auch hämatopoetische Stammzellspende genannt, ist ein Vorgang, bei dem Stammzellen von einem Spender auf einen Empfänger übertragen werden. Es gibt zwei Arten von Stammzellspenden:

Knochenmarkspende: Die Stammzellen werden aus dem Beckenknochen des Spenders entnommen. Hierbei wird der Spender in der Regel unter Vollnarkose operiert und etwa ein bis zwei Prozent des Knochenmarks (meist aus dem Beckenkamm) werden mithilfe einer speziellen Nadel entnommen.

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Periphere Stammzellspende: Die Stammzellen werden aus dem Blut des Spenders gewonnen. Dazu bekommt der Spender einige Tage vor der Entnahme Wachstumsfaktoren oder spezielle Medikamente, die die Produktion von Stammzellen im Knochenmark anregen. Diese Zellen gelangen dann vermehrt ins Blut. Die Entnahme erfolgt durch eine sogenannte leukapheretische Prozedur, bei der das Blut durch eine Maschine geleitet wird, die die Stammzellen herausfiltert und das restliche Blut wieder zurück in den Körper des Spenders leitet.

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Vor der Spende wird der potenzielle Spender medizinisch untersucht, um sicherzustellen, dass er für die Spende geeignet und dass die Spende für ihn selbst unbedenklich ist. Nach der Spende erholt sich der Spender normalerweise innerhalb weniger Wochen. Die entnommenen Stammzellen werden dem Empfänger über eine Infusion verabreicht. Die Stammzellen suchen sich ihren Weg ins Knochenmark des Empfängers, wo sie sich ansiedeln und neue, gesunde Blutzellen produzieren sollen. Wie jetzt bei Annabel.