Erste Maßnahmen, um die Lage für Kinder im Görlitzer Park zu verbessern: Abends sind die Spielplätze geschlossen – offiziell zumindest.
Erste Maßnahmen, um die Lage für Kinder im Görlitzer Park zu verbessern: Abends sind die Spielplätze geschlossen – offiziell zumindest. Foto: Anne Lena Mösken

Die Aufregung der Eltern im Kreuzberger Wrangelkiez ist groß: Die beiden staatlichen Kitas im Kiez dürfen den Görlitzer Park nicht mehr benutzen. Das hat der Träger Kindergärten City in Abstimmung mit der Berliner Kitaaufsicht beschlossen.

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Der Hintergrund: Ein vierjähriges Mädchen, das eine der beiden Kitas des staatlichen Trägers Kindergärten City im Kiez besucht, hatte vor ein paar Wochen während eines Ausflugs auf dem Spielplatz im östlichen Teil des Parks einen Löffel gefunden, der offensichtlich für den Drogenkonsum gebraucht worden war. Das Kind hatte den Löffel auch in den Mund genommen. Kindergärten City hatte diesen Vorfall an die Kitaufsicht gemeldet und beschlossen: Die Kitagruppen dürfen den Park bis auf Weiteres nicht mehr betreten. Für rund 180 Kinder ist der Görli damit seit drei Wochen zum Sperrgebiet erklärt.

„Wir sind für die Sicherheit der Kinder verantwortlich“, sagt Stephan Wagner, Leiter der beiden Kitas von Kindergärten City. „Und unsere Erzieherinnen können es nicht leisten, solche Vorfälle zu verhindern.“

„Es fühlt sich natürlich gut an, dass wir mit unserem Problem wahrgenommen werden“, sagt Lorelei Howard, die Mutter des Mädchens, das den Löffel gefunden hat. Nach dem Fund hatte sie mehrere Stunden mit dem Kind im Krankenhaus verbracht, am Ende versicherten ihr die Ärzte, dass es extrem unwahrscheinlich sei, dass sich ihr Kind mit einer Krankheit angesteckt haben könnte.

Dass die Kinder nicht mehr in den Park dürfen, kann keine Lösung sein.

Lorelei Howard, Mutter

Dennoch hat der Vorfall Spuren hinterlassen. Die Verunsicherung ist groß, wenn das Gefühl erst mal da ist, dass das eigene Kind nicht mehr sicher ist in seinem alltäglichen Umfeld. „Dass die Kinder nicht mehr in den Park dürfen, kann aber keine Lösung auf Dauer sein“, sagt Howard. Nicht nur, weil es für die Kitakinder bedeutet, dass ein Großteil der Möglichkeiten für Ausflüge wegfällt - die Spielplätze, der Kinderbauernhof, die Stadtteilbibliothek, die auf der anderen Seite des Parks liegt. Sondern auch, sagt Howard, weil das Problem viel größer sei. Auch die Spielplätze im Kiez sind verdreckt und heruntergekommen. Drogenkonsumenten hat sie auch direkt vor der Kita beobachtet, in Hauseingängen und auf anderen Plätzen im Kiez.

Diesen Eindruck bestätigt die Statistik der Polizei. Seit dem Sommer gilt die Gegend als Kriminalitäts-Hotspot. Die Spielplätze sind ein Symptom dieser Entwicklung, sie werden von Obdachlosen und Drogenkonsumenten, die im Wrangelkiez gestrandet sind, als Rückzugsorte genutzt.

„Ich hoffe, es gibt einen größeren Plan hinter dem Verbot“, sagt Howard, „und dass endlich die sozialen Probleme im Kiez angegangen werden, statt nur wieder die Drogenkonsumenten und Dealer im Park zu dämonisieren.“

In den vergangenen Monaten hat es bereits mehrere Fälle gegeben, bei denen Kinder auf Spielplätzen Drogenzubehör gefunden haben. Paula Camara, Mutter eines dreijährigen Jungen, der sich im Februar auf dem selben Spielplatz im Görlitzer Park an einer Spritze verletzt hat, wollte nicht mehr in Kauf nehmen, dass der Sicherheit der Kinder im Kiez keine Priorität eingeräumt wird. Sie hat sich mit anderen Eltern zusammengeschlossen und die Initiative „Spielplatz in Not“ gegründet. Sie setzen sich dafür ein, dass Kinder als Nutzergruppe im Kiez und im Park anerkannt und berücksichtigt werden.

Es ist ein Skandal, dass Kinder den Raum, der für sie gedacht ist, nicht mehr betreten können.

Paula Camara, Gründerin der Initiative Spielplatz in Not

Dass der Park nun Sperrgebiet für die Kitas ist, ist das Gegenteil von dem, was Camara und die anderen Eltern erreichen wollen. „Das ist für uns die plakative Manifestation der Verwahrlosung“, sagt Camara. „Es ist ein Skandal, dass Kinder den Raum, der für sie gedacht ist, nicht mehr betreten können.“ Sie planen eine Demo im Kiez und wollen sich in der kommenden Woche mit ihrem Anliegen an die Bezirksverordnetenversammlung wenden. Auch der Bezirkselternaussschuss will sich jetzt mit dem Thema befassen.

Beim Bezirk ist das Problem bekannt. Insbesondere im Görlitzer Park werden Spielplätze bereits häufiger gereinigt, berichtet Florian Fleischmann vom Parkrat, jeden Morgen drehten Mitarbeiter der BSR eine Runde durch den Park und über die Spielplätze. Das reiche aber nicht, um der Lage Herr zu werden. „Der Kiez braucht dringend mehr Sozialarbeiter, die sich um Drogenkonsumenten kümmern“, sagt Fleischmann. „Was der Kiez nicht braucht, sind neue Zäune.“