Dominas peitschen gegen Corona-Auflagen
Nach den Lockerungen ist fast alles wieder möglich. In Arztpraxen, Tattoostudios und Kosmetikstudios, wo es zu engem Körperkontakt kommt, kehrt das normale Leben zurück. Nur Prostitution bleibt verboten und die Bordelle sind geschlossen.

Ein idyllischer Hinterhof in Tempelhof, mit Terrasse und Gartenzwerg vor der Tür: Erst auf den zweiten Blick ist zu sehen, dass sich hier das Dominastudio „Lux“ befindet. Mit Sexschaukel, einer automatischen Kopulationsmaschine und vielen Peitschen, Masken und Handschellen. Die Toilette im Erdgeschoss ist rollstuhlgerecht und sehr sauber. „Hier herrscht Kondompflicht“, steht auf mehreren Schildern.
Die Frauen und Männer, die hier als Domina (oder als Dominus) arbeiten, wollen reden. Und sie werden auch mal wütend, wenn man sie anspricht. Grund für ihren Zorn sind die Corona-Auflagen. Nach den Lockerungen ist fast alles wieder möglich. In Arztpraxen, Tattoostudios und Kosmetikstudios, wo es zu engem Körperkontakt kommt, kehrt das normale Leben zurück. Nur Prostitution bleibt verboten und die Bordelle sind geschlossen.
Kat Rix (35), eine israelische Bizarr-Lady mit hohen Stiefeln, steht in ihrem dunklen Zimmer Rede und Antwort. „Rollenspiele, das Peitschen und ein Handjob sind auch mit Distanz und Maske möglich“, sagt sie. Massagen oder in die Kirche gehen, findet sie ansteckender. Dass einige Politiker aus dem Corona-Verbot ein generelles Sexkaufverbot machen wollen, macht Kat Rix und ihren Kollegen Angst. Sie hätten dann einfach keinen Job mehr.

Master André (42), der Dominus im Studio „Lux“, sitzt mit Schlips und weißem Hemd im Nebenzimmer. Zwischen Sexschaukel und Peitschen-Schrank hat er Platz genommen. Seit sieben Jahren arbeitet André als Sexarbeiter. „Ich ficke auch gerne mit meinen Kunden. Ich bin schon immer ein sexueller Mensch, ein bisschen freaky“, sagt er freundlich. 80 Prozent seiner Kunden sind Männer, 20 Prozent Frauen. Jetzt redet sich der freundliche André in Rage. „Mit der Corona-Krise versucht man uns zu verbieten. Doch käuflichen Sex hat es immer gegeben, ihn gibt es immer noch und ihn wird es immer geben.“
Wenn Prostitution im Privaten und irgendwann im Illegalen stattfindet, werde es für Sexarbeiter und Kunden nicht sicherer, findet Master André. Sondern eher gefährlicher, gerade im Domina-Bereich.

Der Dominus sagt ärgerlich: „Es ist doch schade, wenn man uns abspricht, eine eigene Risikominderung durchzuführen. Schade, dass man uns abspricht, dass wir Auflagen einhalten können. Dabei arbeiten wir hier auch ohne Corona mit Kondomen, Desinfektionsmittel und Handschuhen. Hier im Studio ist es immer sauber.“
Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistung hat ein eigenes Hygienekonzept für die Corona-Pandemie entwickelt. Unter anderem sieht es den Sex mit Maske, regelmäßiges Lüften und die Kontakterfassung jedes Kunden vor. Das Konzept wurde bisher ignoriert. Zum Ärger von den etwa 8000 Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern in Berlin.
Master André kennt die meisten seiner Kunden, sagt er. Sie schreiben ihm über Whatsapp und wollen Termin machen. Eine Rückverfolgung wäre kein Problem, sagt er. Ähnlichen Unmut äußert Johanna Weber (52), eine der Betreiberinnen des Studio „Lux“. „Den Kampf gegen Geschlechtskrankheiten kennen wir. Wir kennen uns doch mit Hygiene aus“, sagt sie.

Im Obergeschoss warten Dahlia und Lady Johanna (42). Dahlia, die noch nicht lange im Geschäft ist und früher mal Religions-und Theaterwissenschaften studiert hat, sagt:„Seit der Schließung geht es mir manchmal sehr schlecht. Wenn sich jemand keinen Sex kaufen will, akzeptiere ich das. Doch er kann uns nicht unsere selbst gewählte Arbeit wegnehmen und über unser Leben entscheiden.“ Auch sie fürchtet das Sexkaufverbot, das manch Politiker jetzt rausposaunt. Eigentlich wollte Dahlia aus einer WG in eine eigene Wohnung ziehen. Das klappt jetzt nicht, sie hat nicht genügend Geld.

Lady Johanna, schon länger im Geschäft, stört die Stigmatisierung und die Tabuisierung. Und das seit Jahren. Ihre Kinder habe sie als Domina allein großgezogen. Wenn sie von Fremden gefragt wurde, sagte sie, sie arbeite bei einem Pharmaunternehmen. „Den Kindern ging es immer gut.“