Flaschensammler 1981 an der Stadtbahn-Brücke am Alexanderplatz, fotografiert von Harald Hauswald.
Flaschensammler 1981 an der Stadtbahn-Brücke am Alexanderplatz, fotografiert von Harald Hauswald. Foto: Harald Hauswald/Ostkreuz

An die Flaschensammler von heute dachte ich sofort, als ich neulich dieses Foto sah. Ich entdeckte es in der Ausstellung „Harald Hauswald – voll das Leben!“ der C/O Galerie. (Momentan geschlossen, hoffentlich ab Dezember wieder geöffnet.) Klar gab’s das auch in der DDR, das schnelle Geld mit dem Leergut. Der Macher des Fotos, Harald Hauswald, den ich anrufe, nachdem ich das Foto gesehen habe, erinnert sich, wie er 1981 an der Stadtbahn-Brücke am Alexanderplatz in Mitte auf den Auslöser drückte. „Es war Zufall, dass ich ihn gesehen habe. Der ältere Mann ist über den ganzen Platz gegangen, hat in alle Mülleimer gefasst.“

Was tat er mit dem, was er an Brauchbarem herausholte? „Es gab ja Sero in der DDR, die Altstoffsammlung. Da bekam man für Gläser fünf bis 30 Pfennig, Flaschen brachten fünf bis 20 Pfennig pro Stück.“ Besonders Kinder und Jugendliche waren dafür unterwegs. „Wir Pioniere wurden von der Schule losgeschickt, klingelten an den Häusern und nahmen Flaschen sowie ordentlich gebündelte Zeitungen entgegen.“ Der Erlös wurde gespendet für wohltätige Zwecke.

Der Griff in den Dreck lohnte sich beim VEB Kombinat Sekundär-Rohstofferfassung, erinnert sich auch Stefan Wolle, wissenschaftlicher Leiter am DDR-Museum in Mitte. „Das war kein ungewöhnlicher Anblick. Viele haben es gemacht, ob jung oder alt, die Leute taten es gerne. Drei bis fünf Mark kamen recht schnell zusammen. Das war von der Kaufkraft etwa so viel wie heute in Euro, davon konnte man sich schon etwas leisten in der Kaufhalle.“ Die lag meist genau neben der Sero-Annahmestelle – wie praktisch.

Besonders in S-Bahn-Zügen auf den letzten Stationen habe sich das Durchgehen oft sehr gelohnt, erzählt Stefan Wolle. „Das war in wenigen Minuten kein schlechtes Geld.“

Das Sero-System schonte in der DDR-Mangelwirtschaft Ressourcen und förderte nachhaltiges Handeln – ein zeitlos anstrebenswertes Ziel. Stefan Wolle ordnet die Sammelei so ein: „Es war nicht unbedingt ein Ausdruck von Elend, sondern von Sparsamkeit.“